Die Swiss Expo 2019 ist Geschichte, die Siegerinnen sind gekürt, die Gänsehautmomente verstrichen und das Sägemehl muss weichen. Wie schon vor Jahresfrist war die Swiss Expo die erste Schau des Jahres, bei der eine Reglementsänderung der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR) zum Einsatz kam.  

"Sehr unterschiedliche Reaktionen der Züchter"

Neu wurde in Lausanne nicht mehr abgestuft nach Schwere des Ödems sanktioniert, sondern es gab nur noch ja oder nein. Wenn die zuständigen Kontrolleure ein Ödem feststellten, musste die Kuh direkt zur Melkanlage und wurde vom Wettbewerb ausgeschlossen.

Laut Jacques Perrin, dem Präsidenten der Swiss-Expo-Kontrollkommission mussten einige Kühe ("quelques unes") zum Melken und damit disqualifiziert werden. Wie viele Tiere es waren und welchen Rassen sie angehörten, wollte er nicht genau sagen. Es seien aber weniger als zehn gewesen. Die Details könne er erst mit seinem Bericht bekanntgeben.

Die Reaktionen der betroffenen Züchter seien "sehr unterschiedlich" ausgefallen, so Perrin. Insgesamt sei die Atmosphäre aber wirklich angenehm gewesen, so der Tierarzt. Wobei angenehm sei wohl das falsche Wort: "Es ist nicht angenehm zu kontrollieren". Reibungslos sei das bessere Wort und deshalb sei er als Präsident der Kommission sehr zufrieden.

Zitzen-Verklebeverbot wird noch nicht eingehalten

Erstmals getestet wurde in Lausanne auch das Zitzen-Verklebeverbot, das die Migros-Tochter Elsa als erstes Verarbeitungsunternehmen in ihr Nachhaltigkeitsprogramm aufgenommen hat. Sanktionen will Elsa vorläufig noch keine aussprechen. "Wir wollen nicht mit dem Holzhammer dahinter", sagte Chefeinkäufer Lukas Barth vergangene Woche zur BauernZeitung. Im laufenden Jahr werde man das Kontrollkonzept prüfen. Das Sanktionsschema soll erst 2020 angewandt werden.

Für eine Bilanz sei es einen Tag nach der Swiss Expo noch zu früh, sagte Barth auf Anfrage, es gelte auch die Ergebnisse der weiteren Ausstellungen einzubeziehen.  Die Bauern Zeitung hat aus anderen Quellen Hinweise, dass an der Ausstellung einige Kühe von Elsa-Produzenten mit verklebten Eutern zu sehen waren.

"Wir kommunizieren nicht, was wir gesehen haben, schon gar nicht über einzelne Produzenten", sagte Barth, "wir haben uns ein Bild verschafft und erörtern jetzt intern, wie wir weitergehen". Es seien gute konstruktive Diskussionen mit Züchtern und Tierschutzvertretern geführt worden, sagt Barth, der gemeinsam mit dem Vorstand der Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie VMI in Lausanne weilte.

Ob die Vorschrift bald breiter angewandt wird, ist noch offen. Demnächst will der VMI-Vorstand zum zweiten Mal innert kurzer Zeit mit dem Vorstand der ASR zusammensitzen, um das weitere Vorgehen zu besprechen, so Geschäftsführer Lorenz Hirt. Ziel sei aus Sicht VMI ganz klar ein freiwilliger Verzicht auf Kollodium, sagt Hirt.

Parlamentsdebatte verhindern

Damit möchten die Verarbeiter eine öffentliche Diskussion über die Motion der grünen Aargauer Nationalrätin Irène Kälin im Parlament verhindern. Diese fordert ein Kollodium-Verbot. Der Bundesrat hat den Vorstoss jüngst zur Annahme empfohlen. Aufgrund der Opposition des Freiburger SVP-Nationalrats Pierre-André Page gegen die Motion droht nun eine Debatte. Davon befürchtet die Branche einen Imageschaden für die ohnehin am Pranger stehende Milch.

Die Chancen, dass die ASR zeitnah ein Verbot durchsetzen wird, scheinen allerdings eher gering. "Wir sind nach wie vor überzeugt, dass es gute Gründe für die Zulassung von Kollodium gibt", sagte ASR-Vorstandsmitglied Markus Gerber gegenüber der BauernZeitung. Angesichts der Tatsache, dass 2019 ein Wahljahr ist, seien die Chancen für ein Ja zur Motion Kälin gut, sagt er.

Dies könne aber für die ASR kein Grund für vorauseilenden Aktionismus sein. Die politische Debatte, welche die ASR nicht gesucht habe, sei nun lanciert. "Wenn die Politik das regeln will, dann soll sie es tun", sagt der Präsident von Swissherdbook, "sachliche Argumente werden es in dieser emotionalen Debatte aber schwer haben", befürchtet er.

akr