In vielen Schafställen des Kantons Bern gab es am vergangenen Samstagmorgen etwas mehr Futter als sonst. Insbesondere der Präsident des Verbands Bernischer Schafzuchtorganisationen, Rolf Rüfenacht, betonte gleich zu Beginn der Delegiertenversammlung: "Ich habe heute Morgen meine Schafe besonders gut gefüttert, damit ich nach der Versammlung nicht nach Hause in den Stall eilen muss. Wir haben also Zeit, alles in Ruhe zu bereden." In Erwartung einer lebhaften Versammlung hatte er in der Reithalle Thun gar eine Tischreihe mehr aufstellen lassen. Vor diesen Vorzeichen und dem Geschehen im Schweizerischen Schafzuchtverband (SSZV) wurde es eine verhältnismässig ruhige Versammlung.

Konstruktive Versammlung

Schlussendlich sassen etwa gleich­viele Delegierte wie in anderen Jahren im Saal, die zusätzlichen Plätze blieben leer. Rolf Rüfenacht betonte, man sei heute beim Bernischen Verband. Auch vor dem Hintergrund der Geschehnisse beim SSZV wolle er eine konstruktive, ordentliche Versammlung durchführen. Es gebe bei den Nominationen die Möglichkeit, beim SSZV Einfluss zu nehmen.

Kritik am Präsidenten

Einen Einschub gab es dann vor der Abstimmung über den Jahresbericht, als Paul Bähler aus Uetendorf das Wort ergriff. Er warf Rolf Rüfenacht vor, dass er sich zu unrecht in den Schweizerischen Vorstand habe wählen lassen. Die Bernischen Delegierten wären für die Nomination eines Kandidaten zuständig gewesen, Rüfenacht habe die Delegiertenversammlung bewusst umgangen.

Auch findet er die Leistungen Rüfenachts ungenügend, dies ohne allerdings konkret zu sagen, welche Punkte ihn stören.  «Es ist himmeltraurig, was abgeht», betonte Bähler. Es seien nun Leute am Ruder, die viel Geltungsbedürfnis, aber wenig Fachkompetenz hätten. Das Vorgehen Rüfenachts sei von der Basis nicht abgesegnet: «Wir sind schweizweit eine Lachnummer», fasste er zusammen. Auch die Anwesenheit von Rüfenacht an der Gründungsversammlung von «Schafe Schweiz» kritisierte er heftig.

Wahl juristisch korrekt

Auf diese direkte Kritik an ihm und seinem Amt betonte Rolf Rüfenacht, er habe immer gesagt, dass er sich als Privatperson habe in den Vorstand des SSZV wählen lassen. Er hätte auch nicht in jeder Konstellation in diesem Gremium mitgearbeitet, das sei der Grund, warum er sich nicht an der Delegiertenversammlung habe nominieren lassen, sondern erst, als klar war, wer ausser ihm noch im Vorstand sein werde.

Seine Wahl sei juristisch abgesegnet und korrekt. Es sei aber auch so, dass er derzeit im SSZV der einzige Vertreter der Berner Schäfeler sei. Es stehe der Delegiertenversammlung frei, einen oder gar zwei Vertreter zuhanden der Schweizerischen Delegiertenversammlung zu nominieren. «Ihr könnt dort auch mich abwählen. Wir müssen nicht im Schweizerischen Verband mitreden, wenn ihr das nicht wollt», so der ernüchterte Präsident.

Über seine Anwesenheit an der Gründungsversammlung von «Schafe Schweiz» sagte er: «Ich wollte die Anliegen und Argumente dieser Leute hören. Deshalb war ich als neutraler Beobachter dort, habe weder das Wort ergriffen noch abgestimmt.» 

Keine Kampfkandidatur

Die Berner hätten im SSZV eigentlich zwei Sitze zugute. Unter dem entsprechenden Traktandum kamen jedoch keine Nominationen für den freien zweiten Sitz und auch keine Kampfkandidatur gegen Rolf Rüfenacht. Es wurde klar, Paul Bähler hatte nicht für eine Mehrheit im Saal gesprochen. Diese gab dem Präsidenten stillschweigend das Vertrauen. Es wurde gar vonseiten Versammlung ein Ordnungsantrag gestellt, das Thema zu verlassen und über den Jahresbericht abzustimmen.

Schweizer Schafzüchter vereinen

Der Rest der Versammlung verlief dann ruhig und gemäss den Statuten. Zum Schluss überbrachte Bernardo Brunold, der interimistische Vizepräsident des SSZV sein Grusswort und entschuldigte sich ausdrücklich für die Wirren beim SSZV in den vergangenen drei Jahren. «Wir müssen nun vergessen, nach vorne schauen und transparent sein. Es ist wichtig, dass die Schafzüchter schweizweit wieder zueinander finden», betonte er und rief dazu auf, Frieden einkehren zu lassen und konstruktiv am Neuanfang mit zu arbeiten.

Daniela Joder