Ein unverkennbarer Duft liegt in der Luft. Der Duft nach frisch gebackenem Brot, der einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Um diesen frischen Duft zu produzieren, steht Jolanda Egli jeden Morgen um vier Uhr auf.

Jolanda Egli ist ein Morgenmensch

"Ich selbst rieche das frische Brot zwar gar nicht mehr. Ich habe mich daran gewöhnt", gibt Egli zu. Das Backen selbst gefällt ihr dafür umso mehr. Quasi mitten in der Nacht aufzustehen, wenn alle anderen noch schlafen, bereitet ihr keine Mühe. "Ich war schon immer ein Morgenmensch. Und wenn meine Mitarbeiterinnen und ich zusammen Zöpfli flechten, ist das eine sehr schöne Arbeit", sagt die 54-Jährige. Dabei sei Zeit für Gespräche, aber auch für längere Stille, in der alle ihren eigenen Gedanken nachgehen.

Freitag ist Wähen-Tag

In ihrer Backstube werden aber nicht nur Brote und Zöpfe geknetet. Jeden Freitag ist Wähen-Tag. Dafür stehen Egli und ihr Team sogar schon um halb drei Uhr nachts auf. Spitzbuben, Amaretti und Magenbrot sind nur einige weitere Beispiele aus der breiten Palette an gluschtigem Gebäck. Schliesslich wandern all die guten Sachen vom Ofen direkt in das Regal ihres Hofladens.

Alle Zöpfe waren weg

Mit der Direktvermarktung haben Eglis bereits vor 25 Jahren begonnen. Als damals die Milchhütte in ihrem Dorf Steinmaur ZH zuging, verkaufte die Bauernfamilie die Milch ab Hof. Jolanda Egli überlegte, was die Kunden sonst noch für Produkte mögen könnten und entschied sich, acht Zöpfe zur Selbstbedienung neben den Milchtank zu legen. "Wenn die am Abend weg sind, werde ich darauf aufbauen", sagte sie sich. Seit an jenem Abend die Zöpfe tatsächlich alle weg waren, hat die Bäuerin das Angebot laufend ausgebaut.

37 Tonnen Mehl verbacken

Heute ist im Laden nicht mehr Selbstbedienung. Neben Brot und anderer Backware verkauft Egli selbst gemachte Teigwaren, Rindfleisch vom Hof, zugekauftes Gemüse sowie Sirup und Konfitüre. Es läuft so gut, dass Egli von mehreren Mitarbeiterinnen unterstützt wird. Zusammen hat das Back-Team im letzten Jahr 37 Tonnen Mehl verbacken. «Es freut mich natürlich, wenn die Kunden unsere Produkte schätzen. Ich backe ja schliesslich nicht nur für mich, sondern auch für die Leute, die in den Laden kommen», so Egli.

Die Bäuerin kennt ihre Kunden

Über die Jahre hat Jolanda Egli viele der Käufer etwas näher kennengelernt. Sie kennt die Stammkunden beim Namen und wechselt mit ihnen auch immer einige Worte. «Ich mag Menschen sehr. Ich stehe daher gerne hinter der Ladentheke und komme mit den Kunden ins Gespräch», sagt die Bäuerin. Neben der Beziehung zur Kundschaft ist ihr vor allem auch die Qualität ihrer Produkte ein grosses Anliegen. Ihr ist wichtig, dass die Produkte, die sie verarbeitet, frisch sind. Egli ist überzeugt: «Unsere Zöpfe sind drum auch so gut, weil die Milch direkt ab Kuh noch lauwarm in unsere Backstube gelangt.»

Respekt vor Verantwortung

Die Kühe melkt ihr Mann Hans. Er erledigt zum grossen Teil die Stallarbeiten. Doch auch hier packt Jolanda Egli mit an. Sie versorgt, nachdem sie die Frühschicht in der Backstube beendet hat, die Kälber. Die Arbeit mit den Tieren gefällt ihr. Obwohl sie zuerst hineinwachsen musste: «Ich bin nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen und war daher den Umgang mit Tieren nicht gewohnt.» Als sie als junge Frau auf den Hof ihres Mannes kam, hatte sie Angst, sie würde gar nicht bemerken, wenn ein Kalb krank wäre. «Vor der Verantwortung für gesunde Kälber hatte ich anfangs ziemlich Respekt.» Doch mit der Zeit lernte sie die Tiere kennen, verstehen und gern haben.

Da ist es schon fast schade, dass eine ihrer Mitarbeiterinnen genauso gerne die Stallarbeit macht wie sie. «Ich überlasse ihr die Kälber gerne. Ich gehe derweil anderer Arbeit nach. Wenn sie frei oder Ferien hat, vertrete ich sie dann aber mit Freude», erklärt die Bäuerin und lacht.

Es brauchte Übung

Jolanda Egli ist jemand, der gerne arbeitet, mit anpackt und es geniesst, wenn auf dem Betrieb etwas los ist. Auch wenn sie sich an Neues, wie etwa das Kälbertränken, erst gewöhnen muss – «Ich bin grundsätzlich eher ein vorsichtiger Mensch, der sich Sachen zweimal durch den Kopf gehen lässt» – hat sie keinen Moment gezögert, als Bäuerin zu leben. «Ich lernte Hans kennen, und da war es gar keine Frage, ihn auf seinen Hof zu begleiten», erzählt Egli. Damals, vor 27 Jahren, hatte sie auch keine Ahnung, was auf sie zukommen würde, meint sie.

Mailänderli backen als Tradition

Damals hatte sie noch keinerlei Backerfahrung. «Zu Hause hat meine Mutter immer am Samstag einen Zopf gebacken. Mich selbst interessierte das nicht sonderlich», erzählt sie. Als frisch gebackene Ehefrau begann sie mit der gleichen Routine wie ihre Mutter. «Diese Zöpfe waren zuerst nichts, worauf ich stolz sein konnte. Doch mit der Übung wurde ich besser», meint Egli schmunzelnd. Mit ihren drei Kindern, die mittlerweile alle erwachsen sind, hat sie immer nach der Himbeerernte Mailänderli gebacken. «Das war Tradition. Solche Momente mit der Familie waren und sind mir sehr wichtig.» So ist sie heute eine erfahrene Bäckerin mit einem imposanten Produktionsraum und einem vielfältigen Hofladen. Fragt man sie jedoch nach dem Beruf, so sagt Jolanda Egli mit Stolz: «Ich bin nicht Bäckerin, ich bin Bäuerin.»

Deborah Rentsch