Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: zwei von drei Bäuerinnen haben keine Sozialversicherung und beinahe 70 Prozent der Frauen haben nichts von den Gewinnen, die auf dem Betrieb erwirtschaftet werden. Statistisch gelten Bäuerinnen als nicht erwerbstätig, obwohl sie wichtige Arbeiten in Haus und Hof verrichten. Weil sich der Schweizer Bauernverband (SBV) und der Schweizer Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) nicht finden konnten, muss nun der Bundesrat im Rahmen der AP 22+ helfen.

Mehr als die Hälfte haben keinen eigenen Lohn

Der Bundesrat hat in der Botschaft zur AP 22+ vorgeschlagen, dass die soziale Absicherung der Bäuerin als Eintretenskriterium für den Erhalt von Direktzahlungen eingeführt werden soll. Zwar geht das selbst der SBLV-Präsidentin Christine Bühler zu weit; weil sich ihr Verband aber mit dem SBV nicht finden konnte, bleibe dem SBLV derzeit keine Alternative, als den Bundesrat zu unterstützen. Das erklärte Bühler am Freitag in Bern.

Dass es eine Verbesserung für die Situation der Bäuerinnen auf den rund 51 620 Landwirtschaftsbetrieben in der Schweiz braucht, steht für den SBLV ausser Frage. Wie Anne Challandes ausführte, fehlt bei zwei von drei Bäuerinnen eine soziale Absicherung (eigene AHV). Die designierte Nachfolgerin von Christine Bühler und derzeitige Präsidentin der Kommission Agrarpolitik betonte denn auch, dass es kein Zustand sei, wenn mehr als die Hälfte der Bäuerinnen nicht einmal über einen eigenen Lohn verfügen geschweige denn am Betriebsgewinn beteiligt würden. Challandes unterstrich weiter, dass das Problem bei allen Verbänden anerkannt werde. «Nur bei der Lösung ist man sich nicht einig», sagte sie mit Verweis auf die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Landwirtschaft.

Keine Unterstützung vom SBV

Der Bundesratsvorschlag ist auch aus Sicht des SBLV nicht optimal. Ausserdem konnte sich der SBLV mit seinem Vorschlag, die soziale Absicherung an den Betriebsbeitrag zu knüpfen, innerhalb der Landwirtschaftsbranche nicht durchdringen. Stattdessen ist derzeit davon auszugehen, dass sich die Beratungspflicht bei Investitionshilfen und -Krediten durchsetzen wird – so, wie das der SBV in seiner Eingabe zur AP 22+ vorsieht.

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SBLV-Präsidentin Christine Bühler betont trotzdem, dass noch nicht abschliessend beantwortet sei, ob der SBLV auf das falsche Pferd gesetzt habe. «Der Prozess der AP 22+ ist noch lange nicht abgeschlossen», sagte sie mit Verweis auf die anstehenden Debatten im Parlament. Sie sei  zuversichtlich, «denn irgendeinmal muss es gelingen» und stellte dann auch Vorstösse in der Sommersession in Aussicht. Zur Natur der Vorstösse könne sie selbst aber auch noch nichts sagen.

Wie Bühler im Gespräch sagt, sieht sie das Modell des bäuerlichen Familienbetriebes in Gefahr, wenn sich die Lücke zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Gesellschaft weiter vergrössert. Ausserdem hofft sie auf Bundesrat Guy Parmelin, der als zuständiges Mitglied der Landesregierung die Entwicklung der AP 22+ verantworten wird.

Fehlende Absicherung bleibt ein Problem

Dass noch viel zu tun bleibt, zeigt Annekäthi Schluep-Bieri. Die Präsidentin der Kommission für Familien- und Sozialpolitik erzählt von drei Beispielen, von denen sie in den letzten fünf Jahren erfahren hat. Wie Schluep sagt, würden die Bäuerinnen im Rentenalter noch einmal bestraft. «Sie erhalten meistens eine Minimalrente und viele haben keine Rente aus einer Pensionskasse», sagte sie. Grund dafür ist der Umstand, dass Bäuerinnen als familieneigene Arbeitskräfte als nicht-erwerbstätig gelten und entsprechend im Alter sich mit einer Minimalrente durchschlagen müssen. «Nach einem Leben voller Arbeit auf dem Betrieb ist es oft nicht einmal möglich, sich eine grössere oder teurere Reise oder Ferien zu leisten», sagte Schluep weiter.

Argumente der Bauern ziehen nicht

Dem Gegenargument, dass die soziale Absicherung der Bäuerin nicht tragbar sein, kann Schluep wenig abgewinnen. «Ich kenne Beispiele, bei denen beide Ehepartner eine Pensionskasse haben.»  Ausserdem würde eine genügende Absicherung dem umsichtigen und nachhaltigen Unternehmen entsprechen, «wie es ein Landwirtschaftsbetrieb sein sollte», so Schluep weiter.

Christine Bühler fügt an, ihr sei ihr auch schon gesagt worden, dass es mit den Vorstössen langsam reiche. «Das absolute Hammer-Argument war aber, als jemand sagte, wir hätten ja schon Kost und Logis», sagte sie leicht enerviert. Das zeige, dass das Niveau der Argumentation auf Seiten der Bauern nicht besonders hoch sei.

hja