Das Licht fällt durch die farbigen Glasscheiben ins Sitzungszimmer des Gemeindehauses und landet sanft auf dem langen Eichentisch. In diesem traditionsreichen Zimmer trifft sich der Hallauer Gemeinderat, dem Nadja Hallauer vorsitzt, alle zwei Wochen. Dass ihr Name und der Dorfname fast identisch sind, ist reiner Zufall.

«Nein, danke!»


Nadja Hallauers Vater war ebenfalls Gemeinderat, die Mutter in verschiedenen Dorfkommissionen tätig. Als die 37-jährige Frau für das Amt der Gemeindepräsidentin angefragt wurde, sagte sie aber entschieden: «Nein, danke!» Sie arbeitete seit der KV-Lehre auf einer Gemeindeverwaltung. Sie wusste, was das Amt bedeuten würde. Als die Anfrage erneut kam, begann sie nachzudenken. «Man kann nicht immer nur Ansprüche stellen; vielleicht könnte ich einen Beitrag leisten.» Der Gedanke, zusammen mit einem guten Team die besten Lösungsvarianten für Herausforderungen zu erarbeiten, reizte sie. Nach sorgfältigem Abwägen aller Vor- und Nachteile sowie diversen Gesprächen mit ihrem Mann Markus Hallauer sagte sie «Ja». Die Wahl fiel überraschend hoch zu ihren Gunsten aus.


Man muss Menschen mögen


Nadja Hallauer tauschte ihren Arbeitsplatz in Flaach ZH mit einem hellen Büro im Lindenhof, auf der Höhe ob dem Hallauer Rebberg SH. Ihr Bürofenster öffnet auf den geschäftigen Werkhof des Weinguts «Aagne», das das Ehepaar Hallauer leitet. «Das ist gäbig», lacht sie. Viele Besprechungen finden durch das offene Fenster statt. Sie führt die Buchhaltung des Weinguts und hilft im Bereich Marketing und Verkauf mit. Der Grossteil ihrer Zeit gehört aber der Gemeindearbeit.


«Wir konnten mit einem guten Team starten», freut sich die Präsidentin. «Jedes Behördemitglied trägt dazu bei, dass Auf
gabestellungen konstruktiv angegangen und Probleme offen diskutiert werden.» Sie will Sorge tragen zu diesem Team. «Nebst Job, Amt und Familie lauert die Gefahr, einmal auszubrennen. Da müssen wir stets achtsam sein.»

Die wichtigste Voraussetzung, um ein solches Amt anzunehmen, sind aus Sicht von Nadja Hallauer die «vier M»: Man Muss Menschen Mögen. Hinter jeder Entscheidung stehen Menschen. Die vorangehende berufliche Laufbahn, sowie freiwillige Jugendarbeit lehrten Nadja Hallauer, mit Menschen umzugehen. Diese sollen mit Wertschätzung und Kundenfreundlichkeit bedient werden.

«Gott hält immer dicht»

«Es ist uns wichtig, bei der Bevölkerung das Bewusstsein zu fördern, dass Demokratie aktiv gelebt werden darf und soll. Denn so können der einzelne Stimmbürger und die einzelne Stimmbürgerin die Entwicklung der Gemeinde mitbestimmen.» Die Bevölkerung scheint zu merken, dass sie ein Gemeindeherz hat. Die ersten zwei Gemeindeversammlungen verliefen positiv und herzlich.


Anschuldigungen und Unzufriedenheit einzelner Bürger gehören zum Amt. «Ich bin froh, wenn jemand Kritik deponiert. Nur so können wir uns laufend verbessern», meint Hallauer. Schwierig sei, wenn Kritik nicht sachlich und konstruktiv erfolge oder gar in einem persönlichen Angriff ende, was aber selten vorkomme. Es liegt ihr viel daran, dass Ehrlichkeit und Transparenz gelebt werden, zu Fehlern gestanden wird. «Entscheidungen zu fällen, ist unsere Aufgabe», konstatiert sie. «Das machen wir nach bestem Wissen und Gewissen zum Zeitpunkt der Entscheidung. Manchmal kristallisiert sich diese später halt als Fehlentscheidung heraus.» Da hilft Nadja Hallauer ihr Glauben. «Mit Gott kann ich alles besprechen, er hält immer dicht!»


Fit nach dem Ausritt


Wo steht Nadja Hallauer an? Die klaren braunen Augen schauen nachdenklich. «Ich habe relativ hohe Ansprüche an mich selber», bekennt sie. «Wenn sehr vielschichtige Projekte laufen, braucht es manchmal Abstriche. Ich muss den Mut haben, zu sagen, es reicht – auch wenn ich nicht immer das letzte Detail weiss.»


Die Turmglocke im Gemeindehaus schlägt die Stunde, es ist Feierabend. Nadja Hallauer schliesst die Eingangstür ab. Aus dem Gartenbeizli nebenan ruft ihr jemand zu. Sie winkt zurück. «Hallo miteinander!» Hoffentlich gibt es Zeit für einen Ausritt. Morgens bis Abends im Büro sitzen, zehrt an der Kreativität und Kraft. «Nach einem Ausritt mit meinem Pferd bin ich wieder fit!» Später wird sie mit ihrem Mann ein gutes Glas Wein geniessen. Mit Markus unterwegs zu sein, sich mit ihm auszutauschen, lachen und weinen zu können, gebe ihr die nötige Gelassenheit.


«Die gesamte Amtstätigkeit beinhaltet sehr viele positive Facetten und spannende Begegnungen mit Menschen», sagt Hallauer zum Schluss. «Man erhält Wertschätzung und Freude zurück!»

Marianne Stamm