In den 50er Jahren entsprach ein arbeitsamer Bauer den damaligen traditionellen Werten; Man lebte, um zu arbeiten. Die Leistung und die Disziplin, mit welcher jeden Tag für die Ernährung der Bevölkerung gesorgt wurde, galten als ehrenwert. Ähnlich verhielt es sich in den frühen 60ern: Der Betriebsleiter war eine Autorität, die ein grosses Ansehen genoss. Der Besitz eines Hofes versprach eine gewisse finanzielle Sicherheit, was mit den materiellen Werten – ganz nach dem Motto «Haben und Zeigen» – einherging. 

Doch nach der 68er-Bewegung zeichnete sich ein Wandel ab: Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung und Flexibilität galten als erstrebenswert. In der Folge wurden alternative Lebenswege gesucht, mit Traditionen wurde gebrochen. Ein Bauernhof scheint dabei einem Klotz am Fuss gleichzukommen. Spontanes Verreisen, kurzfristiges Umstellen des Geschäftsmodells oder aus einer Laune heraus Blaumachen: Wenn 40 Kühe im Stall auf das Melken warten, ist das nicht möglich.

Aber auch bei vielen anderen Berufen kann man sich plötzliches Fernbleiben nicht leisten – Wieso also wird man kritisch gemustert, wenn man sich als Landwirt outet? «Bauern stehen dem Fortschritt im Weg, indem sie sich an der Vergangenheit festklammern», heisst es etwa. Damit wird auf den Widerstand angespielt, welcher die Bauernschaft insbesondere gegen den Freihandel und schärfere Umweltschutzrichtlinien leistet. Hierbei ist interessant, dass sich der Bauernverband zumindest betreffend protektionistischen Massnahmen aktuell in bester Gesellschaft wähnt, man denke an ähnliche politische Bestrebungen in Europa und den USA.

Auch die Art und Weise der Interessensvertretung der Landwirte sorgt für Unverstehen. Zum einen, weil Gesprächsverweigerung bei derart wichtigen Verhandlungen in den Augen vieler kein gangbarer Weg ist. Zum anderen, weil der Bauernverband ein Chor mit vielen Stimmen ist. Diese zu einer ganzheitlichen Meinung zu dirigieren, ist schwierig. Dass der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt nur noch etwa ein Prozent ausmacht, verleiht den Kritikern zudem mehr Gewicht.

Doch nicht nur das Treiben der Bauern in der Politik erhält grosse mediale Aufmerksamkeit: Auch deren Privatleben wird durch Sendungen wie «Bauer, ledig, sucht …» vermehrt durchleuchtet. Dabei werden relativ schonungslos Vorurteile geschürt: Leicht dümmlich und unbeholfen sollen die liebeshungrigen Bauern für Unterhaltung sorgen. Dies verändert zwangsläufig die Haltung der Zuschauer – und somit auch der Konsumenten und Stimmbürger – gegenüber den Bauern. 

Dennoch: Allein die Medien für die negative Haltung gegenüber den Landwirten verantwortlich zu machen, würde dem Phänomen nicht gerecht. Viel mehr gilt es zu fragen, wie die Bauern sich denn selbst sehen. Das Selbstbild der Bauern genau abzustecken, gleicht dabei dem Versuch, Pudding an die Wand zu nageln. Doch lassen sich zwei Hauptströmungen ausmachen: Auf der einen Seite stehen die produzierenden Landwirte, die sich ganz den Ideen, die der Industrialisierung entsprangen, verschrieben haben. Für sie zählt vor allem die Optimierung von Input und Output. Auf der anderen Seite ordnen sich deren Gegenspieler ein: Für sie sind Boden und Natur nicht nur Produktionsfaktoren, sondern Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie sehen sich als Teil des ganzen Ökosystems. Alle Bauern strikte einer der beiden Kategorien zuzuteilen, wäre dennoch nicht sinnvoll.

Genauso unzureichend wäre es, indessen alle Nicht-Bauern des Hegens von Vorurteilen zu bezichtigen. Das Gegenteil 
ist der Fall, wenn man einer weltweiten Studie zum Vertrauen der Bevölkerung in verschiedene Berufsleute Glauben schenken will. Laut dieser bejahten gut drei Viertel der Befragten, einer Bäuerin oder einem Bauern grund-
sätzlich zu vertrauen. Damit liegen Landwirte im oberen Mittelfeld, etwa gleichauf mit Richtern oder Polizistinnen.

Doch wie kann dieses Vertrauen gestärkt und somit das Image gepflegt werden? Die besten Botschafter für die Bauernschaft sind die Landwirte selbst. Und damit sind in erster Linie nicht Plakatkampagnen mit austauschbaren Strahlegesichtern von Bäuerinnen und Bauern gemeint. Gemeint sind die viel gerühmten Unternehmerbäuerinnen, die mit ihren innovativen Geschäftsmodellen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Gemeint sind offene Älpler, die in ihren Beizli Wanderer aus aller Welt bewirten. Und gemeint sind kreative Landfrauen, die in ihren Hofläden den Konsumenten wieder näher an die landwirtschaftliche Produktion heranführen. Wichtig dabei ist nur, sich durch nichts einengen zu lassen – auch nicht durch einen Chüeligurt. 

Debora Moos

Diese Analyse lesen Sie in der Printausgabe der BauernZeitung vom 24. August 2018. Lernen Sie die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen.