Ende Jahr tritt Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann aus dem Bundesrat zurück. Das Verhältnis zu den Bauern und ihren Verbänden war in seiner achtjährigen Amtszeit eher nüchtern und gegen Schluss aufgrund der Gesamtschau stark angespannt. In diesem Gespräch, das nach der Medienkonferenz zur AP 22+ geführt wurde, zieht der Berner Tierarztsohn Bilanz und erklärt, warum er mehr Verständnis hat für die Bauern, als viele meinen.


Herr Schneider-Ammann, mit der Vernehmlassungseröffnung ist die Katze AP 22+ aus dem Sack, wie würden Sie das Paket einem Bauern in drei Punkten zusammenfassen?


Johann Schneider-Ammann: Wir unterstützen Dich in Deiner unternehmerischen Tätigkeit, das heisst die Bürokratie muss weniger werden. Wir unterstützen Dich mit Know-how jeglicher Art, damit Du besseren Marktzugang findest. Und wir können Dir mit Ratschlag und Expertise helfen, Konzepte zu finden, mit denen die Umwelt besser geschützt wird. Kurz und bündig, für mich ist AP 22+ die Fortführung der letzten beiden Politikperioden. Wir wollen nichts Neues erfinden, sondern das Bisherige verbessern und wettbewerbsfähiger werden.

Gleichzeitig verschärfen Sie wegen der Trinkwasser-Initiative (TWI) die ökologischen Vorschriften, kollidiert das nicht mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern?

Die TWI muss abgelehnt werden. Mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel haben wir bereits ein gutes Gegenargument. Weil ein Teil der Forderungen der TWI durchaus berechtigt ist, schlägt der Bundesrat noch ein zusätzliches Massnahmenpaket vor. Die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern ist unmittelbar mit der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten verbunden. Die Bauern sind darauf angewiesen, dass diese bereit sind, mehr für Schweizer Produkte zu bezahlen. Wettbewerbsfähig sein bedeutet, marktgerecht zu produzieren. Die TWI ist auch ein Signal dafür, was der Markt verlangt.  


Das erste Feedback der Verbände auf Ihre Vorschläge war mehrheitlich negativ. Fühlen Sie sich manchmal missverstanden von den Bauern?


Was ich mit guten Treuen für mich sagen kann, ist, dass ich mich bemüht habe, einen Dialog zu schaffen. Ich habe mich bemüht, den Bauern weiterzuhelfen, aber nicht auf dem Subventionsweg, sondern auf demjenigen zu besserer Wettbewerbsfähigkeit. Hier ein gemeinsames Verständnis zu finden, braucht Zeit und immer wieder Anstrengungen von beiden Seiten. Im Agroscope-Bereich sollte es möglich sein, noch in der Wintersession zu einem Parlamentsentscheid zu kommen. Wenn es uns gelingt, das noch unter Dach und Fach zu bringen, wird der eine oder andere seine Vorurteile revidieren müssen.


Mit der Gesamtschau kam es zu einem markanten Einschnitt im Verhältnis zu den Bauern. Was würden Sie rückblickend anders machen?


Vom Inhalt her würde nichts ändern. Was wir im Zusatzbericht präzisiert haben (u. a. Trennung von Agrar- und Aussenhandelspolitik, Red.) ist offensichtlich im Hauptbericht

zu kurz behandelt worden. Das war nicht gewollt. Wir haben nicht realisiert, dass das missverstanden werden kann. Aber unterdessen hat sich die Lage beruhigt.


Im Zusammenhang mit der Gesamtschau entstand der Eindruck, dass Sie unter starkem Einfluss ihres neoliberalen Generalsekretärs stehen, der einen sehr direkten Draht zu Economiesuisse und anderen Wirtschaftsverbänden hat, was sagen Sie dazu?


Das ist ein Kabis. Selbstverständlich ist mein Generalsekretär wie ich liberal durch und durch, er ist dynamisch, hat eine Partei geführt, all das qualifiziert ihn. Das ändert nichts an seiner und meiner Rolle. Und ich nehme für mich in Anspruch, dass ich noch ein bisschen mehr weiss über die Economiesuisse als er (lacht). Wir haben solche Storys schmunzelnd zur Kenntnis genommen.

Aber Sie hatten schon immer eine Gratwanderung zwischen wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Interessen.

Wir müssen uns bewusst sein, dass wir aufeinander angewiesen sind und aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Die Bauern sind ja schlau. Sie wissen auch, dass sie die eigenen Interessen manchmal ein bisschen zurückzustellen müssen, damit der Rest der Wirtschaft nicht aus dem europäischen Markt rausfällt. Das kommt auch ihnen zugute. Wir kommen immer näher an eine Situation, in

 der ein Teil der Industrie das Abzügeln aus dem Land erwägt. Das könnte plötzlich in Beschäftigungslosigkeit ausarten. Wenn die Bauern auf stur schalten und

die notwendigen, langfristigen Marktöffnungen zum Sichern von Jobs verhindern möchten, dann hätten sie ein Eigentor geschossen. Das ist keine Drohung, aber ich erwähne bewusst Elemente aus Industrie und Landwirtschaft, um zu zeigen, dass sie einander Sorge tragen und miteinander Zukunftslösungen anstreben müssen.


Haben Sie die Macht der Bauern auf dem politischen Parkett etwas unterschätzt?


Das glaube ich nicht, ich habe ja gewusst, dass sie Stiefel werfen können. Ich komme aus einer bäuerlichen Umgebung, mein Vater war Tierarzt, ich ging in der Jugend von Hof zu Hof, wir haben Bauern in der Verwandtschaft und in der Familie einen eigenen Betrieb. Ich weiss schon, was ein Bauer kann und wieviel Spielraum er hat. Vielleicht haben sie nicht bemerkt, dass ich ihnen helfen will. Ich nehme aber an, dass sie über die Jahre und über die Prozesse durch die wir gegangen sind, gemerkt haben, dass da jemand nach Weg und Steg für ihre Zukunft sucht.


Einen Departementswechsel, weg von den mühsamen Bauern haben Sie nie erwogen?

Nein. Das glauben Sie mir nicht, ich habe die Bauern nicht als mühsam empfunden. Ich habe Verständnis. Ich habe mir immer gesagt, du musst die Leute dort abholen, wo sie herkommen, dort wo sie sind.


Auf welche Leistung als Landwirtschaftsminister sind Sie besonders stolz?


Die AP 14–17 war ein Kampf, aber es ist etwas Gutes geschehen. Dass der Bauernverband die AP 14–17 weiterführen will, bestätigt das. Wenn es gelungen ist, nicht Angst zu machen, sondern aufzuzeigen, dass die Bauern flexibel und anpassungswillig sein müssen und sie gespürt haben, dass ihre Arbeit von Politik, Gesellschaft und Konsumenten wertgeschätzt wird. Ich glaube, so schlecht haben wir es nicht gemacht, und zwar gegenseitig

nicht. Ich bin auch sehr erfreut darüber, dass wir mit Indonesien ein Handelsabkommen abschliessen konnten, das keine negativen Auswirkungen auf die Schweizer Landwirtschaft haben wird. In diesem Prozess habe ich aber gemerkt, dass die Bauernpolitiker oft bereits ohne das Endergebnis zu kennen, Widerstand leisten. Ich hoffe, dass hier wieder mehr auf ein Miteinander gesetzt wird. Wir alle wollen die Schweizer Wirtschaft und die Landwirtschaft als Teil davon weiterbringen und unser «Petit Paradis» erhalten.


Interview Adrian Krebs