In der Schweizer Politik herrscht Sommerflaute und die Hitzewelle sorgt auch nicht grad für erhöhte Lust am Debattieren. Deshalb ist es nicht sonderlich erstaunlich, dass die beiden Landwirtschaftsinitiativen, die am 23. September an die Urne kommen bisher kaum öffentlich diskutiert wurden.

Wenig Stoff für engagierte Debatten

Doch an der Saure-Gurken-Zeit allein dürfte es nicht liegen, dass die Begehren bisher kaum einen Hund aus seinem Schattenplätzchen hervorlockte. Inhaltlich bieten die Begehren wenig Stoff für engagierte Debatten. Die Initiative für Ernährungssouveränität ist derart chancenlos, dass sich kaum jemand ausführlich mit dem epischen Initiativtext auseinandersetzen mag, der unter anderem bessere Arbeitsbedingungen für und eine Vermehrung von ländlichen Arbeitskräften verlangt.

Etwas mehr Pfeffer steckt in der Fair Food-Initiative der Grünen, die als Hauptziel Mindeststandards für Importe in der Verfassung anpeilt. Der neue Verfassungsartikel (s. Kasten) soll "gute" Produkte fördern und verlangt Mindeststandards für die Produkte, die gefördert werden sollen. Diese Mindeststandards können Labels sein oder anderen internationale Standards. Deshalb ist die Fair Food Initiative auch WTO-kompatibel, da sie eben nicht Schweizer Standards verlangt.

Eine ähnliche Forderung hatte vor vier Jahren SVP-Präsident Albert Rösti gestellt. In seiner Motion namens "Gleich lange Spiesse für die inländische Nahrungsmittelproduktion und für Nahrungsmittelimporte" verlangte Rösti unter anderem, dass eingeführte tierische Produkte mit dem Vermerk "Aus in der Schweiz verbotener Produktionsmethode stammend" gelabelt werden sollen, sofern sie nicht den hiesigen Tierschutz-Anforderungen genügten.

Bauern sind sich uneinig

Diese Altlast hat ihm diese Woche die "NZZ" vorgerechnet. Interessant ist der Sachverhalt deshalb, weil Rösti Mitglied des Gegenkomitees ist, dem bürgerliche Politikerinnen und Politiker aller Parteien angehören. Nicht dabei sind unter anderem SBV-Direktor Jacques Bourgeois, Präsident Markus Ritter oder Vorstandsmitglied Markus Hausammann. Der SBV hatte im April Stimmfreigabe zu den beiden Initiativen beschlossen. Andere Bauernpolitiker wie Andreas Aebi oder Alice Glauser sind aber dabei im Komitee, während der Bäuerinnen- und Landfrauenverband die Ja-Parole beschlossen hat.

Rösti begründet seine Haltung unter anderem mit dem unterschiedlichen Inhalt von Initiative und seinem Vorstoss. Erstere gehe deutlich weiter und hätte zudem verschärfte Umweltvorschriften für Schweizer Bauern zur Folge. Er beeilte sich auch, auf der Website des Nein-Komitees in die Tasten zu greifen, um in einem Blogbeitrag die Zweifel an seiner Haltung zu zerstreuen.

Interessanterweise ist seine Motion 2016 von einer Mitte-Links-Mehrheit abgelehnt worden. Daran zeigt sich, dass das Schicksal einer politischen Forderung nach wie vor primär vom Absender abhängt. Oder anders gesagt: "So schliesst sich der Kreis: Was links gut findet, findet rechts per se schlecht – und umgekehrt", so der "Blick" in seinem Bericht über Rösti und Fair-Food-Initiative.

akr

Dieser Artikel wurde nach der Publikation im dritten Abschnitt angepasst. Die Initianten betonen, dass die Initiative für Importe nicht die gleichen Standards will, wie für die Inlandproduktion.