Unternehmerisch sind sie, ja unternehmenslustig. Flavia Flüeler und Niklas Haak wollen auf dem harten Pflaster des Gastgewerbes neue Akzente setzen. Doch weit gefehlt, hier naive Anfänger am Werk sehen zu wollen. Denn die beiden sind bereits erfahrene Gastronomie-Profis. Er, Niklas, absolvierte eine Kochlehre an bester Adresse, im Hotel Baur-au-Lac in Zürichs Innenstadt. Zwar blieb er dem Gastgewerbe treu, wechselte aber zwischendurch vom Kochtopf an die Bar und war als operativer Betriebsleiter in einer trendigen Gartenwirtschaft tätig. 

Sie, Flavia, spricht von ihrem kulinarisch interessierten Elternhaus, das schon immer grossen Wert auf gutes Kochen und feines Essen legte. Bereits mit sechszehn Jahren arbeitete sie im Service und später ebenfalls als Barkeeperin. Ausserdem verfügt sie über eine solide kaufmännische Ausbildung: "Ich hatte tolle Jobs mit vielen gestalterischen Freiheiten, aber ich wollte die Leidenschaft ‹Essen und Kochen› zu meinem Beruf machen." Erst zu Beginn dieses Jahres hat das junge Paar zusammen mit einem dritten Geschäftspartner in Zürich-Wiedikon das Lokal "Dreierlei" eröffnet. 

Nur ein Tier aufs Mal

 

Die beiden im urbanen Milieu aufgewachsenen jungen Leute kennen die Diskussionen um die Vermeidbarkeit von Lebensmittelabfällen und um artgerechte Tierhaltung. Eine Gelegenheit, dank beruflichen Könnens kulinarisch-kreativ auf diese Fragen der Zeit zu reagieren. Doch wer einen Restaurationsbetrieb nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit in allen Aspekten führen will, muss bereit sein, sich auf neue Arbeitsprozesse einzulassen. Dazu sagt Niklas Haak: "Unsere Absicht ist es, regional zu bleiben, indem wir ein ganzes Tier kaufen, genau wissen wollen, woher dieses effektiv kommt und dieses komplett verbrauchen." Der Grundsatz der Regionalität gilt strikt bei Fleisch und Fisch. "Ausländisches Fleisch kommt bei uns nicht auf den Tisch", ergänzt Flavia Flüeler. Und der Fisch kauft man von Berufsfischern aus dem Zürichsee ein.

 

 

Gemeinsam mehr erreichen

Zusammenarbeit bietet viele Vorteile – ob im Einkauf, in der Produktion oder bei der Vermarktung. Wir stellen in den kommenden Monaten verschiedene Kooperationsformen vor. 

 

 

Das Fleisch-nur-von-einem-Tier-Prinzip bedingt eine Abkehr von der üblichen und auch bequemen Arbeitsteilung zwischen Tierhalter, Grossmetzgerei und einkaufendem Restaurationsbetrieb, wobei letzterer nur aus einer breit gefächerten Auswahl bereits feinzerlegter und vakuumierter Fleischwaren auszuwählen braucht. 

Das Prinzip "Vom Schnörrli zum Schwänzli" erfordert viel Flexibilität und Kreativität, sagt Niklas Haak: "Es ist eine Kunst für den Koch, die Menge Fleisch aus einem Tier innert Frist der maximalen Haltbarkeit zu verarbeiten. Wegen der restriktiven Auswahl von höchstens zwei Fleischsorten und einer Fischsorte braucht es ergänzend vegetarische Gerichte zur Auswahl." Die Menükarte ist so angelegt, dass beispielsweise ein Besuch zu zweit aus sechs aufgetischten Speisefolgen ausprobieren darf. "So bleibt nicht viel vorrätig. Wir schreiben die Karte fast täglich neu, weil einige Zutaten rasch knapp werden. Haben wir etwa zu viele Karotten, so kreieren wir damit einfach ein neues Gericht." Auch Innereien werden den Gästen aufgetischt, allerdings auf eine raffinierte Art zubereitet, die für ein urbanes Publikum akzeptabel erscheint, etwa als Terrine, Mousse oder Brotaufstrich. Dazu Flavia Flüeler: "Unseren Gästen wollen wir vermitteln, dass zum Tier vieles gehört. Es soll nicht umsonst das Leben lassen. So tastet sich mancher vielleicht an Innereien heran."

Neue Kunden, neue Lieferanten

Der dynamische Gastronomiebetrieb hat mit dem Standort "Dreierlei" seinen Dreh- und Angelpunkt gefunden. Von hier aus werden nicht nur das Speiselokal, sondern der bereits bestehende Cateringservice Bugs & Spices beliefert. Schliesslich gelang es den beiden vor kurzem, die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) als Grosskunde an Bord zu holen. Für die VBZ-Genuss-Linie, ein Oldtimer-Tram, das durch Zürichs Strassen kurvt, wird die Dreierlei-Küchencrew für die nächsten fünf Jahre während den Sommermonaten kulinarische Überraschungen kreieren. Der Neukunde liegt für eine rasche Distribution der Speisen goldrichtig, wie Flavia Flüeler erläutert: "Wir können die angerichteten Teller in einer Wärmebox gerade ins 2 bis 3 Minuten entfernte Tramdepot Wiedikon bringen." Auch für das Speisenangebot der Genusslinie wird der Grundsatz, das ganze Tier zu verarbeiten, nicht aufgegeben.

Mehrere Bauernhöfe im Visier

Ebenso wichtig ist den Dreierlei-Gastronomen auch eine vorbildliche Tierhaltung. "Wir haben mögliche Partner auf der Liste, auf die wir neugierig geworden sind und erst noch besuchen wollen", sagen die Vielbeschäftigten. Im Fokus haben sie beispielsweise den Bauernhof und Beiz "zur chalte Hose" am Küsnachter Berg. Der Betrieb ist bekannt geworden durch die so genannte Weideschlachtung bei Rindern. Das Töten von Nutztieren auf der Weide ist bislang nur in Ausnahmefällen zulässig. Eine Genehmigung wird nur erteilt, wenn eine Kugelschussbetäubung stattfindet, die Tiere ganzjährig auf der Weide gehalten werden und der Halter den Antrag entsprechend begründet. Mit dieser Methode entfällt das Separieren aus der Herde ebenso wie das Verladen auf den Transporter. Beides kann beim einzelnen Tier Stress auslösen. Ebenso interessiert ist man an Pro-Specie-Rara-Fleisch, wobei nur ganz wenige Unternehmen in Frage kommen, den Nachschub von Fleisch seltener Schweizer Nutztieren aus tierfreundlicher Haltung zu gewährleisten.

Fleisch vom Wollschwein

Bereits im Geschäft sind sie mit "Regio-Fair", einer Handelsplattform für Frischprodukte aus der Biolandwirtschaft. Der Lebensmittel-Grossist vermittelt zwischen Biobauern und Reformhaus-Filialen in der Schweiz und führt im Sortiment Frischfleischwaren von Wollschweinen und von Rindern aus reiner Weidehaltung. Zusätzlich stellt das Unternehmen im eigenen Betrieb Trockenfleischspezialitäten her wie beispielsweise Cervelats ohne chemische Zusätze oder Wollschwein-Bratwürste. Mit Regiofair ist vereinbart, dass die Wollschweine vom Schlachthof nicht als Hälften, sondern als ausgenommene und gekühlte Schlachtkörper ins Restaurant angeliefert werden. Und es rechnet sich sogar, sagt Niklas Haak: "Da wir das ganze Tier kaufen und dann zerlegen, ist der Kilopreis für Fleisch günstiger, da wir die Arbeit des Metzgers übernehmen."

lid