Krankheitsausbrüche nach dem Verzehr von verdorbener Ware sind auch deshalb selten geworden. Dank immer leistungsfähigeren und genaueren Analysegeräten bleibt kaum ein Wirkstoff unentdeckt. Die sachgemässe Anwendung von Pflanzenschutzmitteln liegt deshalb im Interesse des Bauern. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln liegen bei Schweizer Agrarprodukten in den überwiegenden Fällen unter den gesetzlich festgelegten Toleranzwerten. Unter diesem Aspekt besteht für den Menschen wissenschaftlich betrachtet kein Vergiftungs-Risiko durch chemische Pflanzenschutzmittel.

Doch die hohen Qualitätsnormen der Abnehmer werfen auch Fragen auf: Weshalb darf es auf einem Naturprodukt eigentlich keine Blattlaus oder auf einer Kartoffel ein paar aus gesundheitlicher Sicht bedenkenlose Silberschorf-Flecken haben? Weshalb müssen Spargeln in der Mitte einen Durchmesser von einem Zentimeter oder Karotten alle die gleiche Form haben? Mit mehr Toleranz könnte hier der Pflanzenschutzmitteleinsatz weiter reduziert werden. Die Abnehmer geben den Ball hier gerne an die Konsumentinnen und Konsumenten weiter: Diese würden solche Qualität verlangen.

Gleiches gilt bei der Preisdiskussion. Gerade der Preisdruck ist für die Landwirte in den letzten Jahren aber viel stärker geworden und zwingt sie zu Massnahmen, die den in Hochglanzprospekten präsentierten Umwelt-Engagements der Abnehmer entgegenlaufen.

Viele Landwirte spezialisieren sich auf den Anbau von wenigen Produkten, um rationeller arbeiten zu können. Die Fruchtfolgeflächen sind folglich weniger abwechslungsreich und entsprechend steigt das Risiko von Krankheits- und Schädlingsbefall. Wenn der Abnahmepreis sinkt, versucht der Landwirt die Differenz mit mehr Ertrag zu decken, was wiederum oft auf Kosten von umweltfreundlicheren vorbeugenden Pflanzenschutzmassnahmen geht. Ein klassischer Teufelskreis, der sich aber aufbrechen lässt. Beispielsweise indem Qualitätsanforderungen vernünftiger angesetzt würden respektive die Kundschaft bereit wäre, einen höheren Preis für Landwirtschaftsprodukte zu bezahlen, wenn beispielsweise das Unkraut mit aufwändigen mechanischen Methoden bekämpft wird.

Diskussionen über Mehrfachrückstände
Vor allem in Deutschland war im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln in den letzten Jahren oft von "Gift-Cocktails" zu lesen. Dabei wird kritisiert, dass im Rahmen von Rückstandsanalysen mehrere Wirkstoffe gleichzeitig in einem Produkt nachgewiesen werden. Kritiker sehen im weitgehend unbekannten Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Hilfsstoffen ein grosses Gefahrenpotenzial.

Konsumentenorganisationen fordern, dass im Gesetz Grenzwerte nicht nur für einzelne Wirkstoffe festgelegt werden, sondern auch für die Summe von Wirkstoffen. Obwohl bis heute aus wissenschaftlicher Sicht keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit als Folge der Mehrfachrückstände bekannt sind, legten die Abnehmer als Reaktion auch in der Schweiz eigene Kriterien fest. Bei Gemüse beispielsweise dürfen je nach Abnehmer und Kultur nicht mehr als 3 bis 5 Wirkstoffe nachgewiesen werden, selbst wenn alle Toleranzwerte unterschritten werden.

Für die Konsumentinnen und Konsumenten ist das auf den ersten Blick positiv. Auf den zweiten allerdings nicht unbedingt: Aus landwirtschaftlicher Sicht gibt es gute Gründe, auf der gleichen Kultur mehrere verschiedene Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Es gibt beispielsweise Insektizide, die nur gegen einen Schädling wirken und die anderen Insekten nicht schädigen. Die Kombination mehrerer Stoffe kann zudem die Wirksamkeit verbessern und dazu beitragen, dass die totale Aufwandmenge reduziert werden kann.

Der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel des Bundesrates will auch den Schutz des Konsumenten sichern respektive verbessern. Deshalb soll geprüft werden, ob auf europäischer Ebene bereits bestehende Modelle und Auswertung zur Beurteilung von Risiken aus Mehrfachrückständen auch in der Schweiz angewendet werden können.

lid