«Möchtest du lieber Kohl hacken oder Rüebli jäten?», fragt die angehende Gemüsegärtnerin Rahel Fuchs einen Helfer. An diesem heissen Samstagmorgen haben sich nebst ihr und Praktikantin Patricia Schwitter drei Genossenschafts-Mitglieder für die Arbeit auf dem 0,8 Hektar grossen Acker gemeldet. Nebenan rauscht die Autobahn und etwas weiter hinten starten die Flugzeuge in den blauen Himmel. Davon lässt sich die 32-Jährige nicht beirren. Das Gemüse, das hier gedeiht, wird nach biologischen Kriterien gezüchtet, angebaut, geerntet und per Velo transportiert.

Land kriegen ist schwierig

Rahel Fuchs, ihr Gärtnerkollege Frank Meissner und die Betriebsgruppe wissen, wie schwierig es ist, an Land zu kommen. Der Genossenschaft selber ist es untersagt, Land zu kaufen. Sie unterhält verschiedene Pachtverhältnisse mit zwei Bauern. Das zweite Feld ist 0,5 Hektar gross. Zusätzlich hat sie noch einen Pachtvertrag mit der Stadt Zürich für einen 1,2 Hektar grossen Garten in Affoltern. Mit diesem Gartenareal, einer ehemaligen Ziergärtnerei und Baumschule, hat 2015 alles begonnen. Schnell hat sich im Frühling 2016 gezeigt, dass sich der degradierte Boden für den Gemüseanbau nicht eignet. Das Areal mit seinen grosszügigen Gebäuden anerbietet sich aber bestens als Material-, Lager- und Gemüsedepot sowie zur Kultivierung von Gewächshausgemüse. Ausserdem ist es für die Mitglieder zu einem Treffpunkt geworden und Frank Meissner hat bereits begonnen, den Garten zu einem Blumen-, Kräuter- und Kinder-Paradies auszubauen. An Ideen mangelt es dem innovativen Duo keinesfalls, an Finanzen hingegen schon.

Doch klagen ist nicht Rahel Fuchs' Sache: «Wir schätzen die Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich und die Kooperation mit den beiden Verpächtern sehr.»  Es sei ein Geben und Nehmen. «Zwischenzeitlich produzieren wir wöchentlich 240 Ernteanteile mit -zig verschiedenen Gemüsen», strahlt die gebürtige Schwyzerin, die in Zürich-Oerlikon in einer grossen Wohngemeinschaft lebt. 

Bescheiden und glücklich

Obwohl Rahel Fuchs ihr Pensum erhöhen konnte und die Mitglieder den beiden Gärtnern einen höheren Lohn zugesprochen haben, lebt sie bescheiden. Glücklich ist sie trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb. Denn sie lebt für ihre Vision: eine biologische, lokale, nachhaltige und bodenschonende Nahrungsmittel-Produktion. «Das ist der einzig richtige Weg, was unsere Ernährung angeht», ist sich die Vegetarierin sicher. 

Wer jetzt denkt, dass Rahel Fuchs eine Fanatikerin und ein typisches Zürcher «Stadtchick» ist, irrt sich. Sie kennt die landwirtschaftlichen Herausforderungen und scheut sich nicht vor strenger Arbeit und schmutzigen Fingernägeln. Sie ist einfach überzeugt, beruflich im Moment das Richtige zu tun: «Das hier ist die sinnvollste Arbeit, die ich je gemacht habe.» Aufgewachsen in einer Lehrerfamilie, hat sie nach der Kantonsschule ein halbes Jahr an der Kasse eines Gartencenters gearbeitet. «Obwohl mein Vater auf einem Bauernhof gross geworden ist, würde ich die Zeit im Gartencenter als erste bewusste Berührung mit den Themen Garten, Gemüse, Blumen bezeichnen.» Im Anschluss ans Zwischenjahr hat sie an der Universität Zürich Ethnologie studiert. Erfüllt hat sie diese theoretische Weltsicht nicht. Wer heute die braun gebrannte, zierlich muskulöse Frau mit der Radhacke auf dem Feld hantieren sieht, kann sich kaum vorstellen, dass sie je etwas andere gemacht hat. «Jetzt bin ich glücklich. Das ist mein Weg», ist sie überzeugt.

Ein erster grosser Schritt

Die Hobbymusikerin mit eigener Band, die damals nach der Uni nicht wirklich wusste, ob sie jetzt Geigenbauerin oder Landwirtin lernen sollte und sich schliesslich für die Berner Fachhochschule für Soziale Arbeit entschloss, wird im Sommer 2019 den Eidgenössischen Fachausweis als Gemüsegärtnerin in den Händen halten. In Rahel Fuchs' Augen ein erster grosser Schritt. In den letzten beiden Jahren hat sie vieles gelernt – am Inforama in Bern, bei Weiterbildungen und auf dem Feld. Ihren aktuellen Wissens- und Erfahrungsschatz möchte sie mit Experimenten mit Mulchsaaten, Biodiversitätsförderflächen, Mischkulturen, Pflanzenjauchen usw. vergrössern. Als Verantwortliche der Arbeitsgruppe Jungpflanzenzucht der Genossenschaft «meh als Gmües» hat sie bereits die eine oder andere Eigenzüchtung ausprobiert. Nicht immer mit Erfolg, aber Aufgeben ist nicht ihre Sache. «Ich bin offen für neue Erfahrungen», erklärt sie und lässt dabei ihren Blick übers Feld schweifen, auf dem an diesem Samstagmorgen fleissig gehackt und gepflanzt wurde. Jetzt ist es Zeit fürs gemeinsame Mittagessen – aus dem eigenen Garten versteht, sich.

Franziska Schawalder

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