Der Weg zum Bauernhof von Scheideggers in Mättenbach BE ist nichts für ängstliche Autofahrer. Es geht zuerst steil hinauf gegen die Hohwacht, dem höchsten Punkt im östlichen Oberaargau, und dann einen schmalen Feldweg dem Hang entlang. «Ich habe auf den Mann geschaut, und nicht darauf, wo er wohnt», sagt Marianne Scheidegger und lacht.

«Gern noch viel mehr Tiere»

Am steilen Abhang grasen die Ziegen Sili und Liri, die extra als «Rasenmäher» dafür angeschafft wurden. Weiter unten, wo es nicht ganz so steil ist, weiden die Mutterkühe mit ihren Kälbern. Es gibt auch noch Hühner, Katzen und natürlich die Hündin Kim, die alle Besucher fröhlich begrüsst. «Ich hätte gerne noch viel mehr verschiedene Tiere», erklärt Marianne Scheidegger – aber sie weiss, dass dies auch mehr Zeit benötigen würde, und bei ihrem vielfältigen Arbeitspensum ist diese Zeit oft Mangelware.

Auf dem Bauernhof sind Franz und Marianne Scheidegger gleichermassen zuständig, je nachdem, wer halt gerade da ist. Franz Scheidegger ist auf dem Hof aufgewachsen. Die Bäuerin kommt von einem kleinen Bauernhof ganz in der Nähe, auf der anderen Seite des Hügels in Melchnau BE. Kennengelernt hat sich das Paar auf der Hohwacht. «Damals hat man dort noch Tanzanlässe durchgeführt.» Geheiratet haben die beiden vor 18 Jahren. 2001 kam Sohn Jan auf die Welt, neun Jahre später sein Bruder Alex.

«Ich mache eigentlich alles gerne auf dem Hof, nur das Traktor fahren in diesen «Högern» nicht, betont sie. Sie ist froh, wenn dies nun vermehrt Sohn Jan übernimmt, der im Sommer seine Ausbildung zum Landwirt beginnt.

Traumberuf Sanitäterin

Marianne Scheidegger ging nach der Schule ins landwirtschaftliche Haushaltlehrjahr. Danach machte sie die Ausbildung zur Hauspflegerin. Dieser Beruf war für sie eine gute Grundlage, auch wenn es ihn heute nicht mehr gibt. Nach verschiedenen Weiterbildungen absolvierte sie die Bäuerinnenprüfung und später die Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin, «weil ich davon träumte, noch etwas Neues zu lernen». Heute arbeitet sie zu rund 50 Prozent beim Schweizerischen Roten Kreuz Kanton Bern, Region Oberaargau, als Bereichsleiterin für den Besuchs- und Begleitdienst, den sie selber aufgebaut hat, sowie für die Dienstleistung «Kinderbetreuung zu Hause». Dazu macht sie zwei bis drei Nachtwachen pro Monat in einem Altersheim, gibt Erste Hilfe Kurse im Zivilschutz Oberaargau und ist für den Bereich Gesundheit des Regionalen Führungsorgans des Bevölkerungsschutzes (RFO) zuständig. «Rettungssanitäterin wäre ein Traumberuf gewesen, dazu hätte ich als Ausgleich etwas ‹bauern› können», meint sie lächelnd. Jetzt ist es eher umgekehrt, und sie bezeichnet die Samaritertätigkeit als Hobby.

Am liebsten zu Hause

In ihrer Tätigkeit beim Roten Kreuz wird Marianne Scheidegger mit vielen schweren Schicksalen konfrontiert. Da tut es ihr gut, zu Hause beispielsweise beim Misten abschalten zu können. 

Auch im Verwandten- und Bekanntenkreis läuft manches gesundheitlich gerade nicht so rund. Trotzdem lacht die aufgestellte Frau viel. Sie albert mit Sohn Alex herum, der es gerade sehr geniesst, dass seine Mutter einmal zu Hause ist. «Lachen ist wichtig», betont die Bäuerin. «Im Leben gibt es genug Trauriges.» Und während der angehende Landwirt Jan die Ziegen für den Fototermin einfängt – ein Unterfangen, bei dem es auch viel Gelächter gibt – wandert der Blick über die grünen Hügel und die verstreuten Dörfer bis hin zum Jura. Es scheint eine heile Welt zu sein hier oben.

Vermissen tut Marianne Scheidegger eigentlich nichts, vor allem keine Ferien. Klar war sie im Ausland, auch einmal drei Wochen mit ihrem Mann in Kanada. Aber sie geht lieber ab und zu einen Tag in eine Weiterbildung, das tut ihr gut. Jan bestätigt, dass es «harzig» sei mit der Mutter, wenn die Familie mal in die Ferien fahren wolle. «Aber ich kann gut einmal einen Tag lang nichts tun, oder einfach lesen, einen Krimi zum Beispiel», betont sie.

Wichtig ist Marianne Scheidegger, Sorge zur Natur zu tragen, und dass es ihrer Familie und ihrem Umfeld gut geht. Wenn dann noch viele Leute mit am Tisch sitzen, wie in einer Grossfamilie, so wie sie aufgewachsen ist, dann ist sie glücklich.

Renate Bigler-Nägeli

Dieses Porträt finden Sie in der BauernZeitung vom 1. Juni. Lernen Sie  die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF.