Zögerlich kommen sie auf Nadja Kalmbach zu, die ihnen eine Handvoll Heu anbietet. Sobald sie aber die fremde Person mit der Kamera in der Hand sehen, machen sie kehrt und flüchten aus dem Stall in den 
Auslauf. Nadja Kalmbach lacht und erklärt: «Skudden-Schafe sind scheu und haben noch einen grossen Teil wildes Tier in sich.» Seit zehn Jahren halten Kalmbachs Skudden. So lange ist es auch her, seit Nadja und ihr Mann Marc Kalmbach in die alte, renovierte und umgebaute Käserei am Waldrand in Ufhusen LU gezogen sind. «Ich mag Tiere und wollte welche halten. Hier hatte ich den Platz dazu», erzählt die 45-Jährige. Bei der Wahl des Nutztiers war schnell klar: Es sollen Skudden sein. «Sie haben mich als Rasse überzeugt. Sie sind robust, meist kerngesund und auch sehr hübsch», schwärmt sie von ihren Schafen.

Mit Aebi und Gabel

Nadja Kalmbach ist keine Bäuerin im herkömmlichen Sinn. Sie wohnt nicht auf einem Bauernhof. Sie ist nicht mit einem Landwirt verheiratet, sondern mit einem Vertriebsleiter von Andermatt Biovet. Sie betreibt keinen Ackerbau und hat keinen Traktor in der Scheune. «Mein Traumberuf als Kind war Bäuerin. Ich wurde dann Marketingfachfrau. Doch wir wohnen und leben jetzt so, dass ich meinen Traum doch verwirklichen kann», sagt sie. Neben der Schafherde halten Kalmbachs Hühner und Bienen. Sie haben einen Hund und Katzen, pflegen einen Garten und haben mehrere Hochstammbäume gesetzt. Davon müssen sie nicht leben. Was sie produzieren, reicht für den Eigenverbrauch. 

Ihren kleinen Hobby-Betrieb, nennt es Nadja Kalmbach und schmunzelt: «Unsere Nachbarn nennen uns die Gotthelf-Bauern. Denn wir haben einen Aebi-Mäher und wenden das Heu für die Schafe mit der Gabel, bevor dann der Lohnunternehmer kommt und daraus mit grossen Maschinen grosse Ballen presst.» Dass bei der Grösse ihres Betriebs grobes Geschütz übertrieben ist und deshalb vieles von Hand erledigt werden muss, stört sie nicht. Sie geniesse es, draussen zu arbeiten und anzupacken. «Das ist ein guter Ausgleich zur Büroarbeit», meint sie, die hauptberuflich als Projektleiterin Vermarktung bei Pro Specie Rara arbeitet.

Das ganze Tier verwerten

Doch zurück zu den Schafen, der grossen Leidenschaft von Nadja Kalmbach. Mittlerweile hat sich Jolie vorgewagt und lässt sich streicheln und kraulen. Der Rest der Herde folgt ihrer Anführerin und das Foto gelingt doch noch. Jolie war eines der ersten Lämmer, die bei Kalmbachs im Stall auf die Welt kamen. Seither hat Jolie selbst viermal hintereinander Drillinge zur Welt gebracht. «Sie ist ein Ausnahmeschaf», sagt Kalmbach stolz. 

Seit den Anfängen ihrer Schafhaltung ist die Zucht ein Thema. Die Tierliebhaberin engagiert sich im Zuchtverband. Sie ist Präsidentin der Schweizer Skuddenzüchter, einem Verband, dem rund 100 Züchter mit insgesamt 900 Schafen angehören. «Für mich war klar, dass ich mich, wenn ich die Schafe in erster Linie als Hobby halte, für eine alte Rasse einsetze», sagt sie. Die Skudden sind über die Jahrhunderte züchterisch nicht stark bearbeitet worden. «Man kann sie nicht gut mästen. Bei zu viel Kraftfutter setzen sie nur Fett an. Wir füttern daher nichts zu, sondern lassen sie weiden und geben ihnen im Winter Heu», erklärt die Schafhalterin. Das Fleisch sei übrigens sehr schmackhaft, schwärmt sie. Auch für die Wolle findet sie Verwendung. Sie lässt sie waschen und karden. Oder sie braucht sie als Dünger im Garten. Denn: «Mir ist wichtig, dass ich das ganze Tier verwerte und nichts davon wegwerfe», sagt Kalmbach. Ihr Wissen über die Skudden hat sie sich selbst angeeignet. Sie hat Weiterbildungen besucht und leitet mittlerweile selber Expertenkurse. «Ich lernte viel über die Züchtung. Und je mehr ich erfuhr, desto mehr merkte ich, dass ich noch viele Dinge nicht weiss», so Nadja Kalmbach. Die Schafe und deren Züchtung wurden immer mehr zum Selbstläufer, der ihr den Ärmel hineingenommen hat, wie sie sagt.

Breiten Genpool fördern

Bei der Züchtung ist ihr vor allem der Erhalt der Vielfalt wichtig. Skudden gibt es in Weiss, Schwarz und Braun. Neben den Farben gibt es weitere Merkmale, die auf einen breiten Genpool bei dieser Rasse deuten. Bei der Deckung von ihren Auen kommen Widder zum Zuge, die eine tiefe genetische Präsenz haben, erklärt Kalmbach. Sie fördert also Gene, die in der Population der Schweizer Skudden nicht sehr häufig vorkommen. «Ja, es gibt alte Rassen – bei den Tieren und den Pflanzen – die zu Recht in Vergessenheit geraten sind. Andere aber sind eine Bereicherung und müssen erhalten bleiben», ist sie überzeugt. Wie eben beispielsweise die Skudden, deren Robustheit die Schafhalterin immer wieder betont. Die Schafe seien selten krank. Und wenn, dann könne sie mit Heilpflanzen oder Homöopathie und ganz ohne Antibiotika reagieren, erzählt sie. «So macht es mir Freude. Der schönste Lohn sind am Schluss die Produkte, von denen ich genau weiss, wie und wo sie hergestellt wurden. Weil ich sie selbst gehegt und gepflegt habe.»

Deborah Rentsch

Diesen Bericht finden Sie in der BauernZeitung vom 16. März  Lernen Sie  die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF.