In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Haltungssysteme für Pferde in der Schweiz massiv verändert: Boxen mit Auslauf und Gruppenhaltung dominieren. Letztere hat vor allem in der Deutschschweiz stark zugenommen, weniger in der Romandie – so das Fazit einer repräsentativen Studie zur Situation der Pferde. 

Pferde sind soziale Tiere und brauchen viel Bewegung. Entsprechend haben sich die Stallsysteme in den letzten zwanzig Jahren stark verändert: Boxenhaltung hat markant abgenommen und Stallsysteme wie Gruppenhaltung, welche dem Bewegungsbedürfnis entgegenkommen, setzen sich durch. Die Gruppenhaltung führt zu neuen Herausforderungen wie beispielsweise die bedarfsgerechte und ungestörte Fütterung aller Tiere in der Gruppe. Futterdispenser, welche die Futteraufnahme verlangsamen, werden bei einem Drittel der erfassten Equiden eingesetzt. Dies kann ein guter Ansatz sein, um die Pferdefütterung artgerechter zu gestalten, ohne dass die Tiere übergewichtig würden. Allerdings fehlt es noch an Untersuchungen betreffend Langzeiteffekten auf die Gesundheit und das Verhalten.

Nur mässige Nutzung, dafür gebisslos und barhuf

Die gleiche Studie brachte weitere Neuigkeiten ans Licht: Nur knapp die Hälfte der erfassten Equiden wird zum Reiten, Fahren oder für die Zucht genutzt. Offensichtlich werden viele Pferde rein zur Freude und ohne herkömmliche Nutzungsambitionen gehalten. Interessant ist auch, dass 37 Prozent der genutzten Equiden nicht beschlagen sind. Zudem werden fast 30 Prozent immer oder gelegentlich ohne Gebiss geritten. Diese Ergebnisse weisen auf einen steigenden Bedarf an Wissen für die korrekte Hufpflege von Barhufpferden oder zum gebisslosen Arbeiten mit Pferden hin.

Smarte Daten für Gesundheit, Genetik und Pferdehaltung

Beindruckend ist, wie die Digitalisierung auch in der Pferdeforschung Einzug hält und neue Erkenntnisse hervorbringt. Sie liefert beispielsweise Daten zur Überwachung der Vitalparameter des Pferdes wie Herz, Atmung und Körpertemperatur. Dies wiederum kann vielfältig genutzt werden, in der Medizin sowie zur Optimierung des Pferdetrainings. Als weiteres Beispiel, liess sich dank GPS-Daten das Sozialverhalten von Hengsten in Gruppen analysieren. Zudem brachte ein Vergleich von digitalisierten Fotografien mit Pedigree-Daten ein neues nützliches Werkzeug hervor, welches zum Monitoring der Diversität in kleinen Populationen lokaler Pferderassen hilfreich eingesetzt werden kann.

Das Pferd - ein Spiegel der Gesellschaft

Einmal mehr wurde diese Tagung ihrer Multidisziplinarität gerecht und zeigte ein vielseitiges Bild der gut vernetzten Schweizer Pferdeforschung. Nicoline Schaub verdeutlichte den Wandel der Zeit zwischen 1916 und 1960 anhand der bekannten Pferdeplakate von Iwan E. Hugentobler, welche über 60 Jahre in den Strassen der Schweiz präsent waren. Ulrich Fritz nahm das Publikum mit in die frühe Neuzeit mit seinem Vortrag «Das Pferd auf der Treppe» und beschrieb, wie sich die gehobene Gesellschaft damals anhand des Pferdes und der Reitkunst präsentierte. Mario Nottaris vom Schweizer Fernsehen berichtete über die Mechanismen der Meinungsbildung und das Verhältnis zwischen Pferd und Gesellschaft heute.

Das Pferd ist etwas Besonderes

Der Tagungsgast Mario Nottaris vom Schweizer Fernsehen berichtete über die einzigartige Stellung des Pferdes in unserer Gesellschaft. Seine Erfahrungen bei der letztjährigen Berichterstattung zum Pferdehaltungsskandal im Thurgau waren eindrücklich. Er ist überzeugt, dass keine andere Tiergattung solch starke Wellen an Emotionen in der Gesellschaft ausgelöst hätte. Aus seiner Sicht sind darum Institutionen wie das Schweizer Nationalgestüt als Brückenbauer zwischen der städtischen und der ruralen Welt wichtig, weil sie mit ihren Informationen einen Beitrag leisten, damit diese Welten sich besser verstehen.

Viele der Forschungsarbeiten sind im Schweizer Archiv für Tierheilkunde sowie im Tagungsband Agroscope Science unter www.netzwerkpferdeforschung.ch publiziert.

pd