Die Einladung zum zusätzlichen Milchzahltag nahmen die sieben Mitglieder der Käsereigenossenschaft Au in der Gemeinde Fischingen TG gerne an. Vollzählig sind sie erschienen im Gästehaus zum Tulpenbaum im zürcherischen Neubrunn, um den zusätzlichen Batzen, den ihnen Stefan Böni vor vier Jahren versprochen hatte, abzuholen. Es war nicht der erste Zahltag, nur ein halbes Jahr nach dem Start des Projekts, «1 Stutz für d'Milch» im September 2014 wurde erstmals eine Auszahlung gemacht.

Doch seither hat sich das Projekt nur mässig entwickelt. Stefan Böni hat den Verkaufsladen in Elgg einem Nachfolger übergeben und geht auch nicht mehr auf Wochenmärkte. Somit ist die verkaufte Menge gesunken und dadurch auch der zusätzliche Batzen für die Bauern kleiner geworden. Von einem Herzensprojekt, sprach er vor vier Jahren vor vielen interessierten Journalisten. Begeistert von der Idee, dass Milchbauern einen anständigen Milchpreis erhalten sollen und er als Käseverkäufer dazu Hand bieten wolle, ist er immer noch. «Einzig die Zeit fehlte mir, das Projekt weiter zu entwickeln und andere Detaillisten von der Idee zu überzeugen», sagt er.

Mehr Aufwand für silofreie Milch

In den gewerblichen Käsereien bekommt ein Milchproduzent ungefähr 70 Rappen für einen Liter silofreie Milch. Daraus wird Käse aus silofreier Rohmilch hergestellt. «Ein hochwertiges Produkt, für das die Produzenten zu wenig Geld kriegen», erklärte Stefan Böni vor vier Jahren. Er ist selber gelernter Käser und ausgebildeter Sommelier Maître Fromager und weiss, dass die Landwirte mit den 70 Rappen pro Liter Rohmilch die Produktionskosten nicht bezahlen können. Das Projekt «1 Stutz für d'Milch» sieht vor, dass Produzenten mindestens 1 Franken pro Liter Rohmilch erhalten, um ihre Produktionskosten zu begleichen. 

Silofreie Milch herzustellen brauche mehr Aufwand, weil die Kühe nur Gras und Heu fressen, aber keine Silage, sagt Böni. Deshalb müsse man diesem hochwertigen Produkt Sorge tragen. Die Umsetzung für den Zuschlag tönte vor vier Jahren und auch heute noch einfach: Für die Herstellung von 100 Gramm Käse wird ein Liter Rohmilch benötigt. Deshalb hat Böni den Verkaufspreis für 100 Gramm Käse in seinem Laden um 30 Rappen angehoben. Zu den 70 Rappen, den die Bauern von der Käserei erhalten, hat Böni den Produzenten die zusätzlichen 30 Rappen ausbezahlt. Dieser Zusatzbatzen kommt vollumfänglich den Produzenten zugute, Käser, Logistiker und Verkäufer werden bewusst ausgelassen.

Kundschaft bezahlt gerne einen fairen Preis

Doch woher kommt dieser Zuschlag? Stefan Böni hat in seinem umfangreichen Käsesortiment 19 verschiedene Sorten Rohmilchkäse ausgewählt und mit 18 Käsereien vereinbart, dass er für die entsprechende Menge Käse, die er in seinem Käseladen und Restaurationsbetrieb umsetzt, den Mehrpreis für die Produzenten bezahlt. Das heisst, Böni rechnet aufgrund der belieferten Käsemenge direkt mit den Milchproduzenten ab. Auch wenn Böni ein grosszügiger Mensch ist, den Zuschlag bezahlt auch er nicht aus seiner eigenen Tasche. Er verkauft in seinem Betrieb die ausgewählten 19 Käsesorten mit einem Zuschlag von 3 Franken pro Kilo und hat ein entsprechendes Label «1 Stutz für d'Milch» kreiert.

«Ich habe in den vergangenen vier Jahren von meiner Kundschaft kein einziges Mal gehört, dass der Käse zu teuer ist», sagt er. Er weiss von seiner Kundschaft, dass der Kunde gerne einen fairen Preis für einen hochwertigen Käse bezahlt, wenn dieser wisse, dass auch der Produzent mit einem fairen Milchpreis entschädigt wird. Transparenz sei wichtig. 

Erste Auszahlung seit über 3 Jahren 

Im Herbst 2014 lud Stefan Böni erstmals zum Milchzahltag ein. 17'738 Liter Milch wurden damals in den ersten paar Monaten für die Rohmilchkäseproduktion verwendet, Böni konnte über 5'300 Franken an die insgesamt über 100 beteiligten Produzenten auszahlen. Seither passierte nichts mehr. 

Erst in diesen Wochen, dreieinhalb Jahre später, entschied sich Stefan Böni für eine weitere Auszahlung an die Landwirte. Aufgrund der meist doch eher kleinen Beträge lohnte sich eine Auszahlung kaum, verteidigt sich Böni. Doch nun sei er daran, mit den Käsereigenossenschaften Termine abzumachen und den Landwirten ihr versprochenes Guthaben auszuzahlen. Auch will er das Projekt weiterentwickeln. In der Zwischenzeit hat er über 8 Tonnen Käse mit dem Zuschlag verkauft. Allein beim Pilgerkäse waren es 616 Kilo. Deshalb lagen für die Bauern aus der Au 1'846 Franken parat. 

Vor ein paar Tagen trafen sich die sieben Produzenten der Käsereigenossenschaft Au/Fischingen, zusammen mit ihrem Käser Michael Heinzer im Tulpenbaum. 264 Franken durfte jeder Landwirt von Böni in Empfang nehmen. Wenn man die erste Auszahlung dazuzählt, die damals knapp 100 Franken betrug, haben sie in vier Jahren ungefähr 364 Franken zusätzlich verdient. 

«Na ja, der grosse Wurf ist das nun auch wieder nicht», sagte einer der Bauern. «Auch wenn Stefan Böni es gut meint und uns zu einem gerechteren Milchpreis verhelfen will, haben sich unsere Probleme dadurch nicht verringert», sagte ein anderer.

Es braucht einen grossen Player

Auf den Wunsch, dass die Käserei den jeweiligen Rohmilchkäse auch zum erhöhten Preis verkaufen soll, reagiert Käser Michael Heinzer wie auch die Produzenten wenig begeistert. «Dann stimmt meine Preispolitik nicht mehr», sagt etwas Michael Heinzer. «Es kann doch nicht sein, dass der Pilgerkäse bei mir in der Käserei dann mehr kostet als beim Denner im Nachbardorf.» Auch die Landwirte scheinen über die Idee nicht begeistert, wenn sie für den Pilgerkäse aus ihrer eigenen Rohmilch in ihrer Käserei mehr bezahlen müssten als bei einem Detaillisten in der Region. Auch wenn ihnen bewusst ist, dass sie den erhöhten Preis von Stefan Böni wieder zurückerhalten würden. 

Für Lukas Böhi, Präsident der Käsereigenossenschaft Au ist das Projekt «1 Stutz für d'Milch» ein edler Gedanke von Böni, der aber nicht zu Ende gedacht ist. Er erklärt, dass die Preispolitik auch schon bei ihren drei Käsereien in der Gemeinde sehr unterschiedlich sei. Er glaubt, nur wenn grosse Player beim Projekt mitmachen würden, könnten die Produzenten merklich profitieren. 

Es zählen Beratung und Qualität

Christa Egli von der Käserei Girenbad ZH, die mit zwei Käsesorten von ihr und zwei Sorten von Natürli beim Projekt dabei ist, kann nicht verstehen, weshalb die Produzenten nicht bereit sind, den höheren Preis für ihren Käse zu bezahlen, wenn sie den Mehrpreis ja wieder zurückerhalten. Sie verkauft ihren Käse in ihrer Käserei und gibt ihn auch an Natürli Zürcher Oberland AG ab. Auch sie habe noch nie ein Kilogramm weniger verkauft, wegen dem höheren Preis. 

Für den Produzenten Hansueli Stricker aus Girenbad brauchen die Produzenten mehr Selbstvertrauen. «Konsumenten müssen wir nicht überzeugen, die kennen den Wert der Produkte, aber beim Handel stimmt vieles nicht und deshalb sollten die Produzenten dort selbstbewusster auftreten.» Für Stefan Böni ist klar, wenn die Bauern wie auch die Käser nicht den Mut haben einen fairen Preis für ihre Produkte zu verlangen, dann werden sie ihn auch nicht erhalten. «Keiner ihrer Kunden wird, so wie wir das tun, freiwillig mehr bezahlen.»

lid/Ruth Bossert