«Ja, im Moment müssen wir viel Kritik einstecken», sagt Sandra Helfenstein im Gespräch mit der BauernZeitung. Die Leiterin Kommunikation des Schweizer Bauernverbands war am Dienstag zu Gast im Thurgau. Im Anschluss an die Generalversammlung von Agromarketing Thurgau ging sie in einem Referat der Frage nach, weshalb die Landwirtschaft gegenwärtig unter medialem Dauerbeschuss steht und was man dagegen tun kann.

Frau Helfenstein, sauberes Trinkwasser, Massentierhaltung versus Tierwohl, Freihandel versus ­Zollschutz, Erhaltung der Artenvielfalt, Steigerung der Produktivität, Hormoneinsatz. Die Stichworte für Themen, in denen die Landwirtschaft in der Kritik steht, sind zahllos. Weshalb diese Häufung?
Sandra Helfenstein: Ja, im Moment müssen wir viel Kritik einstecken. Aber die Ansprüche dahinter sind extrem gegensätzlich. Der einen Seite kann es nicht ökologisch und tierfreundlich genug sein. Die andere hingegen will eine viel konkurrenzfähigere und im internationalen Wettbewerb stehende Schweizer Landwirtschaft. Das lässt sich schlecht verbinden und jemand bleibt unzufrieden. Die Konsumenten sind aber sicher sensibler geworden, was das Essen anbelangt. Das bringt für uns Vor-, aber auch Nachteile mit sich. Wir müssen unsere Kunden stärker von unseren Vorzügen überzeugen.

Erinnern Sie sich an andere Zeiten, in denen der Bauernverband an derart vielen Fronten gefordert war?
Mir scheint, die Situation hat sich in der letzten Zeit zugespitzt.

Welches der umstrittenen Themen, die derzeit diskutiert werden, ist jenes, das am meisten Sprengstoff in sich birgt?
Hier sehe ich ganz klar die Trinkwasser-Initiative im Vordergrund. Nur schon der Titel ist geschickt gewählt. Gegen sauberes Trinkwasser ist ja niemand. Dabei suggeriert die Initiative Probleme, wo wir gar keine haben. Unser Trinkwasser ist eines der saubersten weltweit. Mit den Themen Pflanzenschutz, Futtermittel, Antibiotika und Biodiversität stellt die Trinkwasserini­tiative die Schweizer Landwirtschaft in der aktuellen Form grundsätzlich in Frage. Sehr viel Sprengstoff! Dabei gibt es Herausforderungen, die wir gezielt angehen und bereits erzielte Erfolge, die wir besser kommunizieren müssen.

Sie haben es gesagt, die Ansprüche hinter den Kritikpunkten sind widersprüchlich. Wie geht der SBV damit um?
Es ist richtig, dass die Kritik aus sehr unterschiedlichen Ecken kommt und sich deshalb die einzelnen Anliegen auch nicht wirklich vereinbaren lassen. Unsere Aufgabe ist es, die beiden Extreme einander näher zu bringen und irgendwo einen Kompromiss zu finden. Ein Kompromiss, der eine in allen drei Dimensionen nachhaltige Landwirtschaft ermöglicht. Ökologisch, ökonomisch und sozial.

Im Moment macht es den Eindruck, der Bauernverband agiere vor allem aus der ­Defensive. Nicht er setzt die Themen, sondern die Kritiker und die Akteure in Verwaltung und Politik.
Vielleicht ist es bei uns ein bisschen wie im Fussball. Man kann eine offensive oder eine defensive Taktik verfolgen. Die Offensive ist für die Zuschauer attraktiver, aber die Defensive kann trotzdem Erfolg versprechender sein. Als Dachverband, der zig unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen muss, sind grosse Würfe und wegweisende Schritte nach vorne nicht ganz einfach. Wir arbeiten aber daran!

Wie weit kann der Schweizer Bauernverband dieser geballten Ladung an Kritik an der Landwirtschaft mit Image-Werbung etwas entgegen
setzen?
Wir haben die Projekte unserer Basiskommunikation, mit de­nen wir der Bevölkerung die zahlreichen Leistungen der einheimischen Bauernfamilien vermitteln. Ihr gemeinsamer Absender wird aktuell von Grund auf erneuert und die neue Kampagne schon bald lanciert. Zusätzlich möchten wir dieses Jahr aber auch die Wissensvermittlung bei all den heissen, kritischen Themen verbessern. Dazu erarbeiten wir dieses Jahr Grundlagen für Pflanzenschutz, Biodiversität, Tierhaltung, Futtermittel, Antibiotika, Boden und standortangepasste Produktion. Das umfasst den Aufbau eines Agrowikis, Kurzvideos, Posts in den sozialen Medien, spezielle Publikationen und mehr.

Was erhoffen Sie sich von der neuen Kampagne des Bauernverbands, in der Landwirte, ihre Tiere und ihre Produkte in den Mittelpunkt gestellt werden?
Diese Kampagne startet im Juli. In unseren Gremien kam sie gut an, jetzt hoffen wir auch auf eine überzeugende Wirkung bei der übrigen Bevölkerung.Ganz unabhängig von den medialen Diskussionen und den laufenden Initiativen:

Wie stark steht nach Ihren Erfahrungen die Schweizer Bevölkerung noch hinter der Landwirtschaft?
Die Schweizer Bevölkerung steht im Grundsatz nach wie vor hinter der Landwirtschaft. Das zeigte nicht zuletzt das sensationelle Abstimmungsergebnis vom letzten September. Wir dürfen nicht vergessen, die Medien lieben negative Schlagzeilen. Sie taugen deshalb nur beschränkt als Spiegel für die Gesellschaft. Aber wir können es uns nicht leisten, die Zeichen komplett zu ignorieren. Wir müssen weiter an uns arbeiten!    

Interview Mario Tosato