Offenbar mag Bundesbern keine Experimente. Zwei Wahlgänge haben gereicht, um zwei neue Mitglieder in die Landesregierung zu wählen: Zuerst Viola Amherd (CVP) mit 148 Stimmen, danach Karin Keller-Sutter (FDP) mit 154 Stimmen.

 

Ab dem 1. Januar werden die beiden Frauen die Geschicke der Eidgenossenschaft mitlenken. So offen wie seit acht Jahren nicht mehr, ist die Frage, wer Schneider-Ammann als Wirtschafts- und damit auch als Landwirtschaftsminister ablöst.

Kettenreaktion möglich

Doppelrücktritte machen dabei das Orakeln besonders schwer, da sie eine Kettenreaktion auslösen können, wie die «Neue Zürcher Zeitung» schon Ende September schrieb. So stehen am Freitag bis zu vier Departemente zur Disposition. Zuletzt einen grossen Wechsel gab es 2010, als Doris Leuthard vom WBF ins UVEK und Eveline Widmer-Schlumpf vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ins Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) wechselte, derweil die neu gewählten Johann Schneider-Ammann und Simonetta Sommaruga das WBF bzw. das EJPD übernahmen.

Maurer und Cassis dürften bleiben

Denkbar sind alle möglichen Wechsel. Realistisch hingegen ist, dass Ueli Maurer das Finanzdepartement behalten wird. Er wechselte 2015 vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ins EFD und fühlt sich dort wohl und will 2019 noch einmal antreten. Auch unwahrscheinlich ist ein Wechsel von FDP-Mann und Aussenminister Ignazio Cassis. Dieser ist der Amtsjüngste und mitten in Verhandlungen mit der EU (Rahmenvertrag).

Parmelin oder eine Frau?

Weniger klar ist die Ausgangslage bei Guy Parmelin, Simonetta Sommaruga und Alain Berset. Guy Parmelin hat nämlich Schwierigkeiten, die Modernisierung der Luftverteidigung voran zu bringen und muss sich zudem mit Spesenrittern in der Armeeführung herumschlagen. Landwirt und Berner Lokalpolitiker (SVP) Markus Lüscher aus Schalunen BE sieht ihn gar als Wunschkandidaten. Lüscher traut Parmelin zu, dass er die Interessen der Schweizer Landwirtschaft wahren kann und ausserdem die Sorgen und Bedürfnisse der Branche kennt.

Simonetta Sommaruga hat sich im EJPD als Nichtjuristin wacker geschlagen; sie könnte dennoch einen Wechsel zum Departement des Innern (EDI) oder zum WBF anstreben. An der Spitze des WBF könnte die ehemalige Konsumentenschützerin wenigstens die Sicht der Konsumenten einbringen und mithelfen, dass die Landwirtschaft ihre Absatzmärkte halten und weiter entwickeln könnte. Ausserdem hat Sommaruga auch während der hitzigen Debatte um die Zuwanderung bewiesen, dass sie als Mensch verletzlich und damit auch zugänglich bleiben kann.

Auch Alain Berset, dem zweiten SP-Bundesratsmitglied, wurden schon Ambitionen auf das Wirtschaftsdepartement nachgesagt.Da seine Reform der Altersvorsorge an der Urne scheiterte und ihm laut NZZ zudem «in etlichen Dossiers schwierige Ausmarchungen bevorstehen, die sein Verhältnis zur SP belasten könnten», ist ein Wechsel möglich. Berset kann mit der Ausbildung zum Diplomaten wohl auch auf dem internationalen Parkett die Interessen der Schweiz wahren und könnte damit die Werbetrommel für den Wirtschaftsstandort Schweiz weiter rühren.

Sollte das WBF ab 1. Januar 2019 von einem Mitglied der SP geführt werden, wäre das eine Zäsur: Das Wirtschaftsdepartement wurde nämlich seit der Gründung des Bundesstaats 1848 ausschliesslich von freisinnigen und bürgerlichen Politikern geführt. Sollte das Kollegium wider Erwarten einem Wechsel von Sommaruga oder Berset ins WBF zustimmen, könnte Sommaruga das WBF übernehmen.

Keller-Sutter als Favoritin

Aus heutiger Sicht wahrscheinlicher ist, dass Karin Keller-Sutter die Führung des WBF übernimmt. Die einstige Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen würde zwar – wie die Juristin Viola Amherd – bestens für das Justiz- und Polizeidepartement von Sommaruga geeignet sein. Ob sie thematisch dort hin will, wo ihr Aufstieg in die nationale Politik begann, ist eher auszuschliessen. Keller-Sutter, die zu ihren härtesten Zeiten als «Blocher im Jupe» galt, hat ihre Wahl in den Ständerat 2011 genutzt, um sich politisch neu zu positionieren, und aus der Ecke der Polizeichefin herauszukommen; eine Verwandlung, die ihr jetzt den Wahlerfolg sicherte.

Für Keller-Sutter sprechen zudem ihre stramm bürgerliche Politik und ihre Sprachgewandtheit. Die bürgerliche Ratsmehrheit dürfte ihr das Vertrauen entgegenbringen, die Interessen der Schweiz auf dem internationalen Parkett entsprechend zu vertreten. Ausserdem wäre der bürgerliche Einfluss auf wichtige Departemente ebenso gesichert, wie die Kontinuität in den anderen Departementen.

Symbolische Wirkung für Landwirtschaft

Die Wirkung auf die Landwirtschaftspolitik dürfte ohnehin vor allem symbolischer Natur sein; denn mit der Eröffnung der Agrarpolitik 2022+ ist die nächste Reformetappe bereits in Gang gebracht. Das Bundesamt für Landwirtschaft wird entsprechend den rechtlichen Vorgaben dem Prozess folgen, die Vernehmlassung abschliessen, sammeln und voraussichtlich nach der Abstimmung zur Trinkwasserinitiative über den WBF-Chef bzw. die WBF-Chefin ins Parlament bringen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die neue Person an der Spitze an den Inhalten etwas ändern wird.

Kollegium entscheidet

Am Ende entscheiden letztlich das Anciennitätsprinzip und die Gesamtinteressen des Kollegiums. So dürfen die Amtsältesten Bundesräte zuerst sagen, ob sie ihr Departement wechseln wollen. Der Gesamtbundesrat entscheidet, ob dem Wunsch stattgegeben wird, oder nicht.

Zuerst kann Ueli Maurer (SVP) sagen, ob er «sein» Departement wechseln will. Danach folgen die beiden SP-Bundesräte Simonetta Sommaruga und Alain Berset, bevor Guy Parmelin (SVP) und Iganzio Cassis (FDP) «ihr» Departement wählen. Die beiden neuen Bundesrätinnen wählen zum Schluss; zuerst Viola Amherd, dann Karin Keller-Sutter.

hja