Obwohl das Leiten eines Landwirtschaftsbetriebs immer noch eine Männerdomäne ist, lassen sich immer mehr Frauen zur Landwirtin ausbilden. Auch für Therese Wyss-Brunner aus dem emmentalischen Rüegsbach BE kam nie ein anderer Beruf in Frage. Nun ist sie Betriebsleiterin auf dem Hof ihrer Eltern.


Sie weiss, was sie will

Therese Wyss, 30 Jahre alt, mit kräftigen Händen und langen, zusammengebundenen Haaren, ist eine robuste Frau mit wachen Augen. Schon von klein auf wollte sie Landwirtin werden. Letztes Jahr hat sie nun den Hof von ihren Eltern übernommen, obwohl da noch ein Bruder und eine Schwester wären. Vorher hat sie aber noch die landwirtschaftliche Ausbildung mit Meisterprüfung abgeschlossen, eine Ausbildung zur Detailhandelsfachfrau absolviert, zwei Sommer auf einer Alp im Wallis verbracht, die Haushaltungsschule auf dem Hondrich bestanden, mit einem Sprachaufenthalt in Australien den Winter überbrückt und  – zwischendurch blieb auch noch Zeit für die Liebe.

«Seit 2016 sind Martin und ich verheiratet», lacht Therese Wyss. Ihr Mann, der keinen landwirtschaftlichen Hintergrund und auch nichts mit der Branche zu tun hat, betreibt ausserhalb des Betriebs sein eigenes Geschäft im Fahrzeugbau. «Ich helfe aber gerne auf dem Betrieb mit, für mich ist es quasi ein Ausgleich zu meiner täglichen Arbeit», hält er fest.


Eine Frau mit Weitblick


So sind die Aufgaben am Hof auch klar verteilt: Um fünf Uhr morgens ist für alle Tagwach. Die 15 Kühe melkt immer noch der Vater der Betriebsleiterin. Die anderen Arbeiten erledigt das junge Ehepaar gemeinsam, bevor Martin Wyss kurz nach 6 Uhr morgens den Hof verlässt. Die täglichen Arbeiten verrichtet dann die «neue Chefin» mit ihren Eltern zusammen.

«Meine Eltern standen immer hinter meiner Berufsentscheidung und da mein Bruder kein Interesse am Hof zeigte, gab es auch keine grossen Diskussionen, als ich den Betrieb übernehmen wollte», sagt sie. Therese Wyss ist eine Landwirtin mit Weitblick und scheut sich nicht, auch neue Einkommensquellen ins Auge zu fassen. «Da unser Betrieb ‹nur› elf Hektaren gross ist, überlegte ich mir, neben der Milchwirtschaft noch einen anderen Betriebszweig aufzubauen, den ich arbeitstechnisch alleine bewältigen kann», sagt sie.

Kaninchenzucht


So stand denn der Entschluss auch schnell fest, in die Kaninchenzucht und -mast einzusteigen. Zurzeit befinden sich 54 Muttertiere im Stall und es stehen 340 Mastplätze zur Verfügung. «Wir haben uns für diesen Betriebszweig entschlossen, weil wir dadurch kein Land verbauen mussten», hält das junge Paar fest. Deswegen kam auch nie eine Pouletmasthalle oder eine Hirschzucht in Frage. «Wir haben jetzt zwei Jahre Erfahrung mit der Kaninchenmast. Und wir dürfen sagen, wir sind mit dem Ergebnis zufrieden», so die Meisterlandwirtin. Jedenfalls sehe die Rechnung unter dem Strich besser aus, als mit der Milchproduktion.

Da Therese Wyss letztes Jahr in einem Arbeitskreis mitmachte und dort die Vollkostenrechnung ihres Betriebes berechnet wurde, weiss die Landwirtin, von was sie spricht: «Es kam heraus, dass ich eigentlich 70 Rp. für einen Liter Milch erhalten müsste, um die Kosten zu decken und einen Stundenlohn von 28 Franken zu realisieren», rechnet Therese Wyss die Milchbüchleinrechnung am Küchentisch vor. Da sie auf ihrem Betrieb in der Vergangenheit keine grosse Investition in den Stall tätigen musste (2016 wurde der Stall für 70'000 Franken umgebaut, damit dieser wieder den Tierschutzvorschriften entsprach), geht die Rechnung – dank eines tiefen Stundenlohnansatzes – noch einigermassen auf. «Andere Betriebe, welche ebenfalls im Arbeitskreis mitmachten, müssten sogar einen Franken pro Liter Milch erwirtschaften, um noch rentabel zu sein», hält Wyss fest.


Freude an schönen Kühen


Wäre das jetzt nicht der beste Beweis, die Milchproduktion aufzugeben? «Nein, auf keinen Fall», kommt es aus der Landwirtin geschossen. «Da habe ich die Kühe viel zu gerne», lacht sie. Und da sind wir schon bei ihrer grossen Leidenschaft, der Viehzucht, angekommen. «Ich liebe schöne Kühe, aber in erster Linie müssen sie qualitativ gute Milch geben und dazu noch funktionell und langlebig sein», sagt die Landwirtin bestimmt.

Ist aber ein schönes Tier darunter, nimmt Therese Wyss mit ihnen gerne an regionalen Ausstellungen teil. An der letzten Starparade in Burgdorf BE durfte sie mit einem roten Snape-Rind sogar einen Klassensieg feiern. «Es muss halt immer alles stimmen», weiss die Züchterin. Ein grosses Highlight sei immer auch 
die Beständeschau im Herbst.

«Da nehmen wir den fast einstündigen Fussmarsch zum Viehschauplatz gerne in Kauf.» Glocken und Treicheln dürfen dabei nicht fehlen und die Kühe werden zusätzlich mit Blumen geschmückt.


Entscheidung nie bereut


Beim Betriebsrundgang wird deutlich –  die Betriebsleiterin hat ein Faible für schwarze Kühe. «Da muss ich immer wieder intervenieren, dass sie auch ab und zu mit Red Holstein besamt», fügt Martin Wyss lachend hinzu. Die Kühe präsentieren sich auf der Weide im Sonntagskleid. Die schönen Euter stechen besonders hervor. «Ich strebe keine Spitzenleistungen von über 10'000 kg Milch an», hält die Landwirtin fest. Im Sommer sind die Kühe immer auf der Weide und werden im Stall mit Heu, Maissilage und etwas Kraftfutter nachgefüttert.


Therese Wyss hat ihren Berufswunsch und dass sie den elterlichen Betrieb übernommen hat, bis heute nie bereut. Da die Landwirtschaft immer noch fest in Männerhänden ist, muss sich die 30-jährige auch immer wieder beweisen und behaupten. «Es kommt schon vor, dass ich als Frau in dieser Szene nicht ernst genommen werde. Aber das habe ich dann schnell geklärt, lacht sie: Denn über den Tisch ziehen, lasse ich mich auch als Betriebsleiterin nicht so schnell», sagt Therese Wyss mit einem Zwinkern in den Augen.


Peter Fankhauser

Dieser Artikel ist aus der Printausgabe

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