Ich werde versuchen, meine persönliche Erlebnisse und nicht politische Interpretationen der Ereignisse in den Vordergrund zu stellen. Davon findet man gute Zusammenfassungen in verschiedenen Schweizer Zeitungen.

Am Donnerstag, den 26. April, fand bei uns an der Schule eine Lehrerweiterbildung statt. An diesem Anlass erfuhr ich über die intensiven Proteste. Anlass war eine Sozialversicherungsreform, die am Tag zuvor veröffentlicht wurde. Die Altersrente soll zurückgehen und die Sozialabgaben ansteigen. 

Die Proteste waren bereits zu dieser Zeit so intensiv, dass einige von uns Lehrern bereits einen Vergleich mit der Revolution 1979 zogen. Erst diese Aussage hat mich den Ernst der Lage erkennen lassen.

Und tatsächlich, um 14 Uhr, zweieinhalb Stunden vor dem vorgesehenen Ende der Weiterbildung, schickte uns die Schulleitung nach Hause, damit alle noch sicher nach Hause kommen konnten. An diesem Nachmittag bekamen wir dann auch die Meldung, dass die am Abend stattfindende Diplomfeier unserer Schulabgänger sowie der geplante Lehrerausflug am Freitag, ebenfalls gestrichen wurde.

Aus verschiedenen Gründen entschied ich mich trotzdem in Managua zu bleiben. Am Freitag kamen verschiedene Meldungen, man solle dafür sorgen, genügend Lebensmittel und Wasser zu Hause zu haben, Benzin zu tanken, die Telefone aufzuladen, etc. Logischerweise führte diese Meldung zu Hamsterkäufen. Der ganz grosse Ansturm war dann aber erst am Sonntag. Bei unserem nächstgelegenen Supermarkt reichte die Menschenschlange bis weit in den Parkplatz und die Autos parkten über mehrere Hundert Meter am Strassenrand.

Ein paar deutschsprachige Lehrerkollegen initiierten die Gründung einer WhatsApp-Gruppe, um uns gegenseitig informieren zu können. Ich war sehr froh um diese Gruppe, um die wichtigsten Infos zu erhalten und zu wissen, was die anderen unternahmen.

So bekam ich mit, dass eine Kollegin zusammen mit ihrem nicaraguanischen Partner die Verletzten versorgte, die in der Kathedrale Zuflucht fanden. Denn die Proteste, bei denen es nicht mehr nur um die Sozialversicherungsreform geht, hatten bis dahin schon zahlreiche Tote und Verletzte gefordert. Montags gingen schätzungsweise 100‘000 Leute auf die Strasse, um die vorangegangen Proteste friedlich zu unterstützen. Über etwa 6 km war die meist vierspurige Strasse mit Menschen gefüllt.

Die Bevölkerung möchte von der Regierung einen offenen Dialog. Aber es ist auch zum jetzigen Zeitpunkt immer noch nicht klar, ob dieser von der Regierung gewährt wird. Auch der Vorstand der Schule beurteilt und informiert Lehrer und Eltern von Tag zu Tag, ob und in welchem Zeitrahmen der Unterricht stattfindet. Im nächsten Blog werde ich weiter darüber berichten.

Mirka Lötscher Arauz Perez