Im Berner Seeland betreibt meine Familie gemeinsam mit meinen Eltern einen Milchvieh- und Ackerbaubetrieb. Durch die Intensivierung der Zusammenarbeit mit einem Berufskollegen sowie die Zusammenlegung beider Milchviehbestände auf unserem Betrieb resultierten ein Platzproblem. Um den steigenden Ansprüchen an das Tierwohl gerecht zu werden sowie eine Verbesserung der Arbeitsabläufe zu erreichen, wurde ein Stallneubau geplant. Und genau dieser Neubau raubt uns nun fast den letzten Nerv.

Wegen Platzmangels auf dem Hofareal befindet sich die geplante Bauparzelle etwas abseits, aber dennoch in Hofnähe. Nach der Einsprachefrist war durch die nötigen, und durchaus wichtigen Fachberichte von Amt für Landwirtschaft und Natur, Beco Berner Wirtschaft und Amt für Wasser und Abfall klar: alles in Ordnung. Auch würden die geltenden Richtlinien der Mindestabstände von Tierhaltungsanlagen zu bestehenden Wohnbauten eingehalten. Tja. Nützt nichts. Denn einige Anwohner, darunter gar ein ehemaliger Berufskollege, hatten Einsprache erhoben. Angst vor Lärm und Geruch bestand. Dabei wurde der Stall entsprechend geplant, damit so wenig Lärm und Emissionen wie möglich verursacht würden. Das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) hätte für das weitere Vorgehen eine dringend benötigte Verfügung abgeben müssen. Es sah sich ohne Gutachten der Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (OLK) dazu jedoch ausser Stande. Wozu braucht es dann das AGR, wenn sie auf diesem Amt ja doch keine eigene Meinung vertreten? Laut Verordnung hat die OLK lediglich beratenden Charakter in
Ästhetikfragen, keine Entscheidungsgewalt.

Was danach folgte, war ein einziges bürokratisches Hin und Her zwischen uns, Regierungsstatthalteramt, Gemeinde, den Ämtern, und dies jeweils verbunden mit enorm langen Wartezeiten dazwischen. Im schliesslich vorliegenden - und nach Ansicht der Gemeinde schlecht und teilweise mit falschen Fakten erstellten - Gutachten der OLK wurde der gewählte Standort als zu weit weg von den nächsten Bauten erachtet. Dass es näher wegen gesetzlicher Vorschriften nicht geht, war dem Gutachter der OLK egal. Noch weiter weg, wie von Einsprechern gefordert, lehnte er kategorisch ab. Bei einer späteren Begehung mit allen Beteiligten vor Ort, war davon aber plötzlich keine Rede mehr. Weiter weg gehe mit diversen Auflagen, meinte der Gutachter. Nun gut. Jeder kann einmal seine Meinung ändern. Zudem sind wir ja kompromissbereit. 

Nach den Vorstellungen der OLK wurden abgeänderte Pläne erstellt und das neuerliche Bauverfahren eingeleitet. Dies zog wiederum positive Fachberichte und auch weiteren Kosten nach sich. Mit diesem zweiten Standort hatten aber Pro Natura und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz ein Problem. Denn der neue Standort liegt teilweise in einem archäologischen Schutzgebiet. Der OLK ist das offenbar egal. Und da der Standort der OLK passt, gab auch das AGR grünes Licht. Aufgrund deren Berichts erteilte das Regierungsstatthalteramt einen positiven Baubescheid. Dagegen hat jedoch der Landschaftsschutz Beschwerde eingelegt. Dadurch ist der Baubescheid nicht rechtsgültig, der Bau somit nicht erlaubt.

Nun haben wir zwei Organisationen, die sich beide für die Erhaltung des Landschaftsschutzes einsetzen, in unserem Bauvorhaben aber nicht gleicher Meinung sind. Das habe es seit 30 Jahren nie gegeben, meinte ein AGR-Mitarbeiter bei einem Telefonat mit meinem Mann. Diese Unstimmigkeit wird auf unserem Rücken ausgetragen. Der Stallneubau ist derzeit ungewiss. Gewiss ist, dass die Politik gefordert ist. Dass der OLK, einer lediglich beratenden Kommission, mehr Gewicht beigemessen wird, als Berichten von mehreren kantonalen Ämtern zusammen, darf nicht sein und gehört überprüft. Zwar wurde im Januar 2016 ein Antrag bürgerlicher Grossräte, den OLK-Artikel aus dem Gesetz zu streichen, abgelehnt. Doch das sollte nicht das letzte Wort gewesen sein.

Und wie sollen wir nun weiterfahren? Wollen wir weiterkämpfen? Geld, Zeit und Nerven in etwas reinstecken, dessen Ausgang ungewiss ist? Ist es vielleicht das Ziel der Schutzorganisationen, uns mürbe zu machen, damit wir aufgeben? Wir wissen es nicht. Auch nicht, wie es weitergehen soll. Was wir wissen, ist einzig, dass wir uns machtlos und als Spielball, in erster Linie der OLK und des AGR, fühlen. Zudem schlägt das Hin und Her einigen Familienmitgliedern wortwörtlich gehörig auf den Magen. So manch bittere Träne der Wut und Enttäuschung wurde bisher geweint. Zudem zerrt die Ungewissheit an den Nerven aller Familienmitglieder. Wir sind überzeugt, dass die Milchwirtschaft auf unserem Betrieb Zukunft hat. Aber wie und in welcher Form? Denn unseren Kindern möchten wir einmal einen gesunden Betrieb übergeben, sofern sie denn möchten.

Andrea Wyss

Diese Analyse ist aus der Printausgabe der BauernZeitung vom 20. April 2018. Lernen Sie die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 Franken