Das ist Absatzförderung auf hohem Niveau, ohne gross angelegte Marketing- und Imagekampagnen. Einfach Leute, die authentisch zu ihren Produkten stehen. 

Ich muss zugeben, etwas unvorbereitet zog ich los. Im Hinterkopf war Kirgisien als «etwas anders, dafür aber sicher abenteuerlich» verankert. Und Koumis, von dem ich im Vorfeld viel hörte – es steht für vergorene Stutenmilch und wird als «Kümis» ausgesprochen – sorgte bei mir für Besorgnis. Diese war dann auch berechtigt: Koumis schmeckt mir nicht. Das Milchgetränk hat einen sehr starken säuerlich-hefigen Geschmack und beim Abgang im Hals spürt man ein leichtes Kräuseln, da es etwas alkoholhaltig ist. Die Kirgisen kommen ins Schwärmen, wenn sie von Koumis sprechen. Die Begeisterung kann vielleicht mit der verglichen werden, wenn wir Schweizer den Ausländern von Fondue oder Raclette vorschwärmen. 

Ähnlich beliebt, oder vielleicht sogar noch beliebter wie Koumis und nicht minder ungewöhnlich, ist Kurut. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Raffaello-Praline. Es entpuppt sich dann aber als sehr salzig, sehr trocken und sehr sauer: eine sonnen- und luftgetrocknete Quarkkugel. Weil die Kirgisen für diese zwei Milchprodukte so schwärmen und sie sich jederzeit in grossen Mengen einverleiben, probiert sie der hinterste und letzte Tourist. Das Gleiche gilt übrigens auch für den Umgang mit Fleisch. Es gibt praktisch nichts, wo nicht noch ein Stück Fleisch darin zu finden ist. Selbst in vegetarischen Suppen besteht die Bouillon aus einem Fonds aus gekochtem Fleisch. Dieser Fonds lässt übrigens jedes Gericht auf Basis eines Gemüse-Bouillon-Würfels geschmacklich alt aussehen. Darum ist nicht auszuschliessen, dass selbst hart gesottene Veganer bei den kirgisischen Spezialitäten ihre Prinzipien vergessen und zuschlagen.

So etwas wie Agrotourismus oder Swiss Tavolata existiert auch in Kirgisien. Um authentisch bei Familien zu Hause oder in der Jurte essen und übernachten zu können, gibt es die Organisation CBT (Community Based Tourism). Die lokale Bevölkerung wird direkt in den Tourismus einbezogen. CBT wurde in den späten neunziger Jahre durch die Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas ins Leben gerufen. Das Projekt erscheint mir erfolgreich, denn es ist unabhängig geworden, ist vielen Touristen ein Begriff und gilt schon fast als Synonym für Übernachtungsmöglichkeit. In den Büros in den Hauptorten können die Dienstleistungen auf Englisch gebucht werden. Die Kommunikation bei den Familien vor Ort ist dann meist etwas begrenzt, dafür aber umso herzlicher. 

Die Leute sind gastfreundlich und sehr fröhlich. «Tschai itsch gille» (lasst uns Tee trinken) heisst es immer wieder. In Kirgisien gehört Tee trinken einfach dazu – und zwar ohne Extra-Verrechnung. Nebst den bereits genannten und anderen Milchprodukten wird Brot und Gebäck, gekauftes Konfekt sowie Konfitüre dazu gereicht. Bei der Konfitüre komme ich massiv ins Schwärmen. Sie ist Aroma pur! Da kümmert sich wahrscheinlich kein Lebensmittelkontrolleur um das genaue Zucker-Früchte-Verhältnis und es interessiert niemanden, ob es jetzt Konfi heissen darf oder nur Fruchtaufstrich. 

Noch jemand anders zieht eine positive Bilanz. Unser Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Auf seiner Reise durch Zentralasien vom 8. bis 16. Juli soll er sogar mit Genuss in Kasachstan (Nachbarstaat von Kirgisien) einen Schafskopf verzehrt haben, wie die Berner Zeitung berichtete. Ob der Genuss echt war oder ein diplomatischer Schachzug, sei dahingestellt. Wer aber um Himmelswillen würde in der Schweiz auf die Idee kommen, einem hohen Gast einen Schafskopf zu servieren? Eine Glanzleistung des Zentralasiatischen Bauern an Überzeugungsarbeit am Konsumenten und Begeisterung für sein Produkt! 

Ich wünsche mir, dass auch hierzulande die Bauernfamilien vermehrt wieder Zeit und Energie haben, ihre geschmackvollen Produkte selber und mit Überzeugung anpreisen zu können, statt über schlechte Preise jammern zu müssen, von Vorschriften erdrückt zu werden oder wegen abstrusen Ernährungstrends auf ihrer Ware sitzen zu bleiben. 

Esther Thalmann

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