Traktor fuhren auch alle, also Gleichberechtigung! Dass im Haushalt nicht ganz alle mithalfen, fiel mir erst etwas später auf. Auch beim Spielen spielte es mir nicht so eine Rolle, ob Stall mit Holztieren oder Kochen für Puppen. Den ersten Unterschied bemerkte ich, als ich in die Handarbeit musste, derweil die Buben ins Werken durften.

Unterdessen sind mehr als 30 Jahre vergangen, und es ist leider immer noch nicht selbstverständlich, dass Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten haben. Irgendwie kommt es mir sogar vor, als wäre man bei den Pflichten etwas schneller vorangekommen. Die Bundesrätinnenwahl von vergangener Woche sollte deshalb als Erfolg für die Frauen verbucht werden. Auch die die Unterschrift von sieben landwirtschaftlichen Organisationen unter eine Charta, in der sie sich für mehr Frauen in ihren Organisationen bekennen, ist löblich.

Das Wort Frauenförderung hörte ich zum ersten Mal mit 18. Ich hatte soeben meine erste Arbeitsstelle als Zollbeamtin angetreten. Da las ich in einem Bulletin der Verwaltung, dass es spezielle Kurse nur für Frauen gäbe, um den Anteil von Frauen in leitenden Positionen zu erhöhen. Klar, dass ich da mitmachen wollte. Es leuchtete mir so gar nicht ein, wieso mein Zollamt nur von mittelalterlichen bis ganz alten Männern regiert wurde, mit denen ich mich von Zeit zu Zeit anlegte, weil ich anderer Meinung war. Die Freude des Chefs hielt sich aber in Grenzen. Ihm leuchtete nämlich nicht ein, was ein so junges Beeri die Karriereleiter hochsteigen wollte. Mit meinem Anruf in Bern und einem zweiten von Bern an meinen Chef war der Mist dann aber geführt. Ich war mit Abstand die jüngste Teilnehmerin im Kurs und meine Kurskolleginnen hatten Freude an mir.

A propos Freude. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich freue mich sehr, dass Frau Sommaruga nicht alleine mit sechs Herren regieren muss. Drei zu vier ist wirklich schon fast Gleichberechtigung! Aber nein, leider regte ich mich etwas auf. Der Berichterstattung zufolge wurde ein historischer Sieg für die Frauen verzeichnet: «Zwei Frauen gleichzeitig in die Schweizer Regierung gewählt, das gab es noch nie.» Für mich ist jedoch erst Gleichberechtigung, wenn es auch einmal sieben Frauen im Bundesrat haben kann und niemand das speziell erwähnen muss. Geärgert hat mich auch, dass man die zukünftigen Magistratinnen vom Schweizer Fernsehen durch Stil- und Kommunikationsexperten «analysieren» liess. Als ob besser oder schlechter angezogen etwas mit der Regierungsqualität zu tun hätte. Und sogar das Auto-Korrekturprogramm des Smartphones machte meinen Ärger nicht kleiner: statt Amherd stand da plötzlich am Herd.

Auch das soeben beurkundete Engagement der Landwirtschaft bereitete mir nicht nur ungetrübte Freude. Frauen ja, doch eine festgeschriebene Quote soll den Unterbestand auf keinen Fall regeln. Die Frauen selber haben sogar Angst vor der Quote. Denn sie befürchten, sie könnten die Anzahl Amtsanwärterinnen gar nicht stellen. Was für eine Blamage. Man kann nur hoffen, dass es den unterzeichnenden Organisationen auch wirklich ernst ist. Und dass die  Fenaco die Frauen nicht nur wegen des besseren Gefühls für das Sortiment in den Volg- und Landifilialen anstellt, sondern wirklich mit ihnen die Chefetagen füllen will.

Meiner Meinung nach muss der Funke für die Gleichberechtigung statt auf Papier oder im Bundesrat ganz anderswo springen. Er muss im Bewusstsein in jedem Einzelnen von uns glühen. Damit es soweit kommt, müssen wir an der gesamten Gesellschaft arbeiten und neue Strukturen und Werte schaffen. Was nützt es, wenn Frauen nebst Familie und Job immer noch mehr leisten? Schön wäre es doch, wenn unsere Gesellschaft Frauen und Männern die Möglichkeit gibt, zu gleichen Teilen in Familie und Job tätig zu sein, ohne an Ansehen zu verlieren und sogar einen Karriereknick einzufahren oder gar eine finanzielle Einbusse zu erleben. Ein erster Veränderungsversuch könnte bei den Wahlen 2019 gestartet werden, indem wir ganz viele Frauen ins Parlament wählen und diese die Politik und die festgefahrenen Werte aufmischen. Ich hoffe wirklich, ich muss nicht nach weiteren 30 Jahren erkennen, dass sich immer noch nichts geändert hat.

Esther Thalmann