Darum sind Schweizer Produkte auch besser und mehr wert. Was aus dem Ausland kommt, ist böse. Massenproduktion und Monokultur. Was dort unter unmenschlichen Bedingungen erzeugt wird, führt dann auf unseren Agrarmärkten zu Preisdumping. Doch das Bild täuscht. Die Schweizer Landwirtschaft hat keinesfalls alle Trümpfe in der Hand. Das zeigt ein Besuch in Norddeutschland und Holland.

Die Bilder in Beers (NL) und Rees-Haldern (D) gleichen sich: Hoch spezialisierte und durchwegs auf Effizienz getrimmte Milchwirtschaftsbetriebe. Die Abläufe sind so stark optimiert, dass selbst manchen Betriebsleitern nicht mehr viel einfällt, was sie noch besser organisieren könnten. Gespräche zeigen aber, dass sich die Landwirte von dieser Effizienz im wahrsten Sinne des Wortes nichts kaufen können. Viele Betriebe bezahlen einen hohen Preis für ihre modernen Produktionsstätten: Sie sind stark verschuldet und arbeiten zu einem beträchtlichen Teil für die Bank.

Der Weg über Menge und Effizienz scheint sich also trotz günstigen Voraussetzungen oft nicht einmal in Norddeutschland oder Holland, richtig auszuzahlen. Es gibt immer irgendwo jemanden, der bereits ist, zu noch tieferen Preisen zu produzieren. 

Darum ist man sich in der Schweiz in der Branche grundsätzlich einig, dass die Qualitätsstrategie der richtige Weg ist. Der Blick über die Grenze hat aber gezeigt, dass auch die Deutschen und Holländer in diesem Bereich nicht schlafen. In Holland haben die Landwirte ihren Antibiotikaverbrauch auf Druck der Regierung innert vier Jahren um 64,5% gesenkt. Seit 2013 beispielsweise dürfen Kühe nur noch in Ausnahmefällen prophylaktisch mit Antibiotika trockengestellt werden.

Oder Beispiel Mindestlohn: In Deutschland ist dieser in der Landwirtschaft seit 2015 um 23% auf Euro 9.10 gestiegen. Zum Vergleich: In der Schweiz verharrten die Mindestlöhne von 2014 bis 2016 auf Fr. 3200.– Im Jahr 2017 wurde eine Erhöhung um mickrige 10 Franken beschlossen, ab 2018 gibt es 25 Franken mehr Mindestlohn für ausländische Angestellte – bei Arbeitszeiten von bis zu 66 Stunden pro Woche. Das entspricht je nach Kanton einem Stundenlohn von rund 12 (GL) bis 18 (GE) Franken. 

Klar lässt sich über obige Beispiele vertieft diskutieren. Qualität nützt aber am Markt nur, wenn man besser ist als die anderen. Konkret, besser, als Berufskollegen in Deutschland, Holland oder sonst einem Land, das gerne seine Überschüsse in die Schweiz exportieren möchte. Besser als hoch spezialisierte Berufskollegen. Und besser sein nützt nur etwas, wenn man das auch kommunizieren und den Mehrwert dafür abholen kann.

Die Schweizer Landwirtschaft nimmt traditionellerweise eine eher defensive Haltung gegenüber Veränderungen ein. Grosse Umwälzungen kamen in der Regel auf Druck von aussen zustande. Klar, sie wurden umgesetzt und anschliessend nicht selten von der EU kopiert. Aktuell gibt es aber eine Schwemme von Initiativen, deren Annahme schwerwiegende Konsequenzen haben könnte. Sie zielen - direkt oder indirekt (zumindest aus Sicht der Initianten) auf die Qualität. Wäre es 
möglich, dass diese Initiativen überhaupt erst möglich geworden sind, weil der Bauernverband (zu) konservativ aufgestellt ist und Änderungen meist zuerst bekämpft und dann nur schleppend und schrittweise in der Praxis umgesetzt werden?

Die Qualitätsstrategie zeigt sich in erster Linie bei einigen Labels oder auf Einzelbetrieben, die dieses Bedürfnis der Bevölkerung gekonnt abdecken und sich so von inländischen Konkurrenten abheben. Von Verbandsseite her ist man aber konstant in der Defensive. Daran hat auch die Annahme des Ernährungssicherheits-Gegenvorschlags nicht viel geändert. Reaktion statt Aktion – das kann gefährlich sein. 

Man darf gespannt sein, wie die Schweizer Qualitätsstrategie in Zukunft aussehen wird. Dass sie aber eng an Fragen der Ethik, Ökologie und der Nachhaltigkeit (Umwelt, Wirtschaftlichkeit und unbedingt auch Soziales) gekoppelt sein wird, steht ausser Frage. Wir täten gut daran, von der Reaktion in die Aktion zu wechseln und die Weichen so zu stellen, dass wir auch in Zukunft mit gutem Gewissen und überzeugenden Argumenten den Mehrwert von Schweizer Produkten gegenüber ausländischen Erzeugnissen verkaufen können.

Sebastian Hagenbuch

Diese Analyse ist aus der Printausgabe der BauernZeitung vom 27. April 2018. Lernen Sie die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 Franken