Während die Gesamtzahl der Bauernbetriebe von Jahr zu Jahr abnimmt, nimmt die Anzahl Betriebe mit Direktvermarktung zu. Gemäss Agristat gab es Ende 2016 gesamtschweizerisch noch 52 63 Bauernbetriebe, das entspricht einem Rückgang von 6802 Betrieben seit dem Jahr 2010. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Betriebe mit sogenannten Diversifikationstätigkeiten wie z. B. Direktvermarktung, Gastronomie, Forst- oder Lohnarbeiten um 3864 Betriebe auf insgesamt 30 58. Alleine die Direktvermarktungs-betriebe legten von 7084 auf 11 58 Betriebe deutlich zu.

Es fragt sich, ob der Direktvermarktungs-Boom nur eine kurzsichtige Flucht von drückenden Marktpreisen ist, oder er sich tatsächlich positiv im Einkommen niederschlägt? Der Anteil der Betriebe, bei denen Diversifikationstätigkeiten 10% bis 50% des Gesamtumsatz ausmachen, stieg jedenfalls tatsächlich stark an. Die Anzahl Betriebe, die mehrheitlich mit Diversifikationstätigkeiten ihren Umsatz erzielen, blieb konstant. Betriebe, die weniger als 10% vom Gesamtumsatz erwirtschaften, nehmen ab. Kurz: Es lässt sich vermuten, dass die Direktvermarktung ein Trend ist, der auch umsatzmässig relevanter wird. Über alle Schweizer Betriebe gesehen sind die Diversifikationstätigkeiten bereits bei 44% der Betriebe einkommensmässig von Bedeutung.

Diese Zahlen bestätigen meine persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen. Meine Grosseltern entschieden sich schon in den 70er-Jahren für die Direktvermarktung mit eigener Milchverarbeitung. In der Zwischenzeit wechselte der Hof auf die Angus-Mutterkuhhaltung. Seit ich mich erinnern kann, haben die Dichte und die Professionalität der Direktvermarkter zugenommen. Denn in den letzten zehn Jahren hat sich auf Seite ihrer Kunden einiges getan. Früher fanden sich unter ihnen vor allem «Körnlipicker». Heute ist «Körnlipicken» zu einem Massenphänomen geworden. Alles wird abfotografiert und auf sozialen Medien geteilt: vom einfachen Frühstück zuhause bis zum Dinner im hippen Restaurant. Besucher überschwemmen Food-Festivals und Märkte. In den Medien wimmelt es von Debatten über Ernährung und gesunde Essen. Jede zweite Menükarte brüstet sich mittlerweile damit, einen Bauern aus der Region persönlich zu kennen. Die Detailhändler bilden die Helden vom Hof ab.

Die Direktvermarktung sollte durch die zunehmenden Bemühungen von Lerneffekten und einem kollektiven Fortschritt profitieren. Grundsätzlich macht der Trend zur Direktvermarktung den Landwirt zum Dienstleister. Könnte das paradoxerweise dazu führen, dass die Urproduktion erhalten bleibt? Oder könnte die Aufgabenbreite auch zum Verhängnis werden? Und kann man gleichzeitig erfolgreich auf mehreren Beinen stehen? Eigentlich wollen doch alle Unternehmer Skaleneffekte erreichen, bzw. mit jedem zusätzlich produzierten Angebot Kosten sparen.

Mittelfristig könnte ein stärkerer Fokus auf Zielgruppen eine Lösung sein. Kalkulierter Mut zur stärkeren Positionierung würde zu vielfältigeren Angeboten aus der Landwirtschaft führen. Beispielsweise gibt es dann auf Zielgruppen spezialisierte Direktvermarktungsangebote für Firmen, für Sportler, für Gesundheitsbewusste. Aus diesem Schaffen könnte eine Vielzahl von funktionierenden Modellen entstehen, was wiederum junge Leute inspirieren würde, auf dem Land dienstleistungsorientierte Unternehmen und Arbeitsplätze etablieren zu wollen. Nebst den individuellen Bemühungen werden auch die Gemeinschaftsprojekte Ergebnisse erzielen: Die Anzahl an Zusammenschlüssen, Regionallabels und Online-Plattformen nimmt klar zu. Wenn die Schweizer Landwirtschaft experimentell und innovativ bleibt, könnte sie sich zu einem Vorbild für andere Länder mausern. Das würde wiederum die Möglichkeit bieten, Wissen zu exportieren. Ob davon die Landwirte persönlich profitieren, hängt wiederum vom Verhandlungsgeschick ab – ähnlich wie bei der Direktvermarktung: Hier lernt man feilschen und das richtige Produkt zum richtigen Preis am richtigen Ort anzubieten. Es würde also wenig erstaunen, wenn dereinst die Direktvermarkter die Spitze für die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft bilden.

Samuel Bühlmann