Das energetische Potenzial der Landwirtschaft ist gigantisch. Mit der grossflächigen Nutzung von Scheunendächern und Güllegruben wäre ein Atomkraftwerk zu ersetzen, erklärt ein Berner SVP-Grossrat und damit eine ziemlich unverdächtige Quelle. Und dieses Potenzial lässt sich nicht nur mit um Welten kleinerem Risiko als ein AKW nutzen, sondern zusätzlich mit einer Win-win-Situation. Der Methanausstoss könnte durch die konsequente Vergärung von Gülle und Mist für die Biogas-Produktion reduziert werden und somit auch der umweltpolitsche Druck auf der Landwirtschaft um 0,6 Tonnen Methan pro Grossvieheinheit.

Die Landwirtschaft muss bei Klimaschützern unten durch

Die Landwirtschaft muss bei Klimapolitikern im Moment noch unten durch. Die Urproduktion ist je nach Berechnung verantwortlich für zehn Prozent bis einen Fünftel oder gar mehr des Klimagasausstosses. Gleichzeitig wird den Bauern vorgerechnet, dass der Selbstversorgungsgrad ein Witz sei, weil die moderne Nahrungsmittelproduktion ohne importierten Diesel keinen Tag länger brummen würde.

In seinem unlängst erschienen Buch «Die Schweizer Landwirtschaft stirbt leise» erklärt Autor Jakob Weiss, dass wir faktisch Erdöl essen. Da hilft es meist auch nicht viel, zu erklären, dass wir auch Erdöl tragen, dass es uns zur Büroarbeit und in die Ferien bringt, ja dass es neben dem Strom der wichtigste Treibstoff der gesamten modernen Gesellschaft ist, von dem nicht nur die Bauern hochgradig abhängig sind. 

Profilierungschancen im Nachhaltigkeitsbereich

Die schweren Atomunfälle von Tschernobyl und Fukushima haben uns drastisch aufgezeigt, dass der einst als «sauber» geltende Atomstrom keine taugliche Alternative bietet. Diese Erkenntnis hat letztlich den Weg geebnet für eine Energiepolitik, die stärker auf Nachhaltigkeit und damit auf erneuerbare Energien setzt und mittelfristig auf Atomstrom verzichten will. Ausstehend ist noch das Ja des Volkes zu diesem Kurswechsel. Am 21. Mai erhält der Souverän Gelegenheit, diesen abzusegnen. 

Man kann der Landwirtschaft nur empfehlen, dieses Ja kraftvoll zu unterstützen, denn diese Entwicklung bietet wie einleitend angedeutet grosse Chancen für die Profilierung der Landwirtschaft als wichtige Partnerin der Energiewirtschaft. Dank grossen Dachflächen und hohem Anfall an Biomasse hat sie beste Voraussetzungen, um hier nicht nur einen gesellschaftlichen Hosenlupf zu stützen, sondern dabei auch noch schön Geld zu verdienen.

Es braucht mehr Stützung durch die Stromkunden

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Stromnutzer bereit sind, etwas tiefer in den Sack zu greifen. Dazu gibt es an sich keine Alternative, was allerdings die (wenigen) Gegner der Vorlage nicht daran hindert, für den Fall einer Zustimmung mit völlig übertriebenen Mehrkosten-Prognosen die wüstesten Szenarien an die Wand zu malen. In der Landwirtschaft scheint man aber begriffen zu haben, dass alles andere als ein Ja in die Sackgasse führen würde. Selbst unter den bäuerlichen Vertretern der SVP, welche sich als einzige grössere Partei die Nein-Parole auf die Fahne geschrieben hat, ist es deutlich einfacher, bäuerliche Befürworter als Gegner zu finden.

Neben den erwähnten Verdienstmöglichkeiten bietet die Teilnahme an der neuen Energiestrategie den Bauern auch die Möglichkeit, ihr gesellschaftlich teilweise etwas ramponiertes Image zu verbessern. Der «Energiewirt» kann mit seinem nachhaltig produzierten Strom dazu beitragen, dass er nicht primär als erdöl-verbrennender Umweltsünder und Futterimporteur am Pranger steht, wie dies leider zu oft der Fall ist. Eine Landwirtschaft, die an der Erzeugung von umweltfreundlicherem Strom aktiv mitwirkt, ist auch besser gerüstet, um Gerätschaften zu fördern, die mit weniger Erdöl auskommen, so etwa Spritz- und Jätroboter, die sich mit Solarantrieb über die Felder bewegen. 

Die ohne KEV schauen in die Röhre

Klar ist aber auch, dass man ohne zusätzliche Fördermittel kaum neue Photovoltaikzellen auf Scheunendächern und Biogas-Anlagen neben Ställen sehen wird. Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) wird ohne bessere Speisung durch die Strombezüger für die meisten Anbieter von nachhaltiger Energie eine Fata Morgana bleiben. Diejenigen, welche früh aufgesprungen sind, profitieren heute von schönen Kilowatt-Preisen, die fast so hoch liegen wie der Molkereimilchpreis, einzig mit dem Unterschied, dass die Sonne den Strom gratis liefert. 

Die anderen dagegen schauen in die Röhre. Dies ist eine ungerechte Situation und sie bremst die Entwicklung in Richtung nachhaltigere Landwirtschaft. Ein Ja am kommenden 21. Mai kann hier Gegensteuer geben.

akr