Wie nebenbei schiebt Sandra Raschle (30) das Blech mit den beiden Broten in den heissen Backofen, während sie in der perfekt aufgeräumten Küche den Espresso serviert. Seit acht Jahren sei sie mit Christoph (34) verheiratet, seit sieben Jahren führen sie den Hof ihrer Schwiegereltern im Weiler Müetligen, hoch über Dreien, in der Gemeinde Kirchberg SG. Während der frische Schnee unten im Tal schon wieder weg ist, wird er hier oben noch eine Weile liegen bleiben.

Sandra Raschle ist eine Frühaufsteherin, auch für Töchterchen Alina begann der Tag früh. Um sieben Uhr musste die Erstklässlerin auf den knapp zwei Kilometer langen Schulweg, Daria, die Fünfjährige sei vom Kindergartenbus abgeholt worden und der neun Monate alte Andrin absolviere seinen Vormittagsschlaf, erzählt die junge Frau.


Dezent geschminkt, mit funkelnden Ohrsteckern und einer modischen Kurzhaarfrisur sitzt sie am Küchentisch und erzählt, wie sie vor sieben Jahren, als das Bauernhaus ihrer Schwiegereltern umgebaut wurde, zu ihrem eigenen Coiffeursalon kam. «Bei der Planung ergab sich ein Plätzchen für mich und so wurde mein grosser Wunsch nach einem eigenen Geschäft überraschend erfüllt.»


Heuet und Hochzeiten


Zweifel, ob auch die Kundschaft den umständlichen Weg nach Müetligen auf sich nimmt, hatte sie nie. Sie durfte schon damals auf ihre Stammkundschaft zählen. Zu dieser Zeit war ihr Mann, der gelernte Maurer und Landwirt, noch teilzeitlich auf dem Bau tätig. Zu Hause auf dem Milchwirtschaftsbetrieb half der Schwiegervater.

Vor drei Jahren konnten Christoph und Sandra Raschle einen Betrieb in der Nachbarschaft pachten, wo das Jungvieh von einem Angestellten im Teilzeitpensum betreut wird. Gleichzeitig lief ihr Coiffeurgeschäft immer besser, die Kinder mussten oft von den Schwiegereltern und ihrer Eltern betreut werden und so entschieden sie sich, ihre Arbeitspensen neu zu überdenken.


Christoph Raschle gab die Arbeit auf dem Bau auf und und übernahm zu Hause mehr Haushalts- und Kinderarbeit, währenddessen Sandra ihren Bereich im Salon auf mindestens 60 Prozent ausbaute. Der Familienalltag wurde aufs Mal einfacher, das Auswärtsarbeiten entfiel, Christoph Raschle fühlte sich den Kindern näher, kann sie oft mitnehmen und hat sich auch im Haushalt eingearbeitet.

Sandra Raschle bekam mehr Luft für ihre Kundschaft und auch als Familie können sie heute, gerade auch im Winter, mehr unternehmen. «Uns geht es gut», sagt die junge Frau strahlend.


Auch wenn der Sommer streng sei und sie als Arbeitskraft auch auf dem Betrieb einspringen müsse. Zudem treffe der Heuet meist auch mit den Hochzeiten zusammen und so habe sie die Hochsteckfrisuren auch schon um fünf Uhr in der Früh machen müssen. Zudem sei sie extrem froh, dass ihre Schwiegereltern gleich nebenan wohnen und sie immer bereit sind, schnell und unkompliziert den Kindern zu schauen. Auch auf die Hilfe ihrer Eltern kann Sandra Raschle immer zählen, wenn etwas Unvorhergesehenes den Plan über den Haufen wirft oder der Gemüsegarten wartet.


Landwirtschaft nicht geplant


Kürzlich konnten sie einen neuen Laufstall bauen und so sei der Betrieb mit den insgesamt zwölf eigenen und elf gepachteten Hektaren Land heute eine Existenz für eine Familie. Zu den 26 Milchkühen haben sie Rinder für die eigene Aufzucht und rund 80 Hochstamm-Obstbäume. Dass Sandra Raschle jemals einen Landwirt heiratet, war nie ihr Plan gewesen, sagt sie ernst.

Wohl sei sie mit vier Geschwistern auf einem Hof in Bütschwil aufgewachsen, doch sie habe unbedingt ihren Traumberuf Coiffeuse ergreifen wollen. Sehr früh sei sie dann mit Christoph Raschle zusammengekommen und so habe es sich ergeben, dass sie doch wieder auf einem Bauernbetrieb gelandet sei.  


Wer meint, Sandra Raschle sei vor allem für die Dauerwellenfrisuren der älteren Frauen in ihrer Umgebung zuständig, täuscht sich. Leider seien eben die zwei Frauen, denen sie noch hin und wieder eine Dauerwelle machen durfte verstorben.


Breites Angebot


Ihre Kundschaft sei jung und modern und schätze ihre Kreativität, deshalb gehe sie auch regelmässig in Weiterbildungen, um immer auf dem Laufenden zu sein. «Ich führe mein Geschäft professionell und bin keine Badewannencoiffeuse», sagt sie ernst. So gehören zu ihrem Angebot auch das Schminken, Haarentfernen im Gesicht und das Färben von Augenbrauen und Wimpern. Gerade Bräuten und Brautjungfern komme dieses Angebot entgegen.  

Vermisst sie als junge Familien- und Berufsfrau nicht auch mal den Ausgang mit Gleichaltrigen? «Den muss man sich organisieren», erklärt sie. Sie gehe gerne an die Treffen der Landfrauen in Mosnang und Kirchberg. Aber am meisten freue sie sich jeweils auf die Ehemaligentreffs des Blaurings, bei dem sie früher aktiv mitmachte.

Die meiste freie Zeit hingegen verbringt die junge Frau im Moment hinter der Nähmaschine. «Mein neuestes Hobby ist das Nähen von Taschen mit Wachstuch», sagt sie und zeigt eine Auswahl an wunderhübschen kleinen Täschli für Schminkzeugs, Haarspängeli oder was auch immer. Auch Handtaschen gehören zum Angebot, bereits seien Bestellungen eingegangen – und während sie erzählt, klingelt der Backofen, Sandra Raschle entnimmt ihm die frisch
gebackenen Brote.  

Ruth Bossert