Nach Überlieferung soll sich dort an einem nebligen Tag im September des Jahres 1652 folgendes zugetragen haben. Ein Andreas Anderegg, sömmerte in seiner Hütte „Auf dem Thaan“, einem ehemaligen Senntum der Alp Morgeten. sein verbliebenes Vieh Er war ein baumstarker grosser Küher. Einer jener, die mit blossen Händen eine Eisenkette zu Staub verrieben und weder Tod noch Teufel fürchteten

Sein Eigentum im Tal unten, hatte er verloren. Die Berner Obrigkeit hatte im eine Busse von 1500 Pfund auferlegt wegen seiner Beteiligung am Bauernkrieg und der Belagerung der Stadt Bern. So wurde er, wie viele Bauern nach dem verlorenen Bauernkrieg von 1651 um Hab und Gut gebracht. Andere wurde gehängt, geköpft, gevierteilt oder als Galeerensträflinge verkauft und das Berner Patriziat bereicherte sich an den Wäldern, Alpen und Heimwesen der Bestraften Das Senntum «Auf dem Thaan» konnten sie ihm nicht wegnehmen, denn das gehörte der Alpkorporation. Sein ungestümes Wesen war schon früher den Prädikanten und das Chorgericht ein Dorn im Auge gewesen. Einmal wurde er vorgeladen, weil er während der Predigtzeit Käse hergestellt hatte, Worauf er zur Antwort gab, „Wenn ihm die gnädigen Herren in Bern das Käsen am Sonntag verbieten wollten sollen die Herren doch im Winter Heu fressen“.

Später wurde er angeklagt wegen versäumten Predigtbesuchen, gotteslästerlichem Fluchen, und Insubordination gegen die Obrigkeit. Der Übermittler der Vorladung wurde jeweils unter den Chorrichtern durch das Los ermittelt sie fürchteten ihn alle, und wenn er der Vorladung nicht folge leistete, wagte keiner der Chorrichter Anderegg dingfest zu machen, denn einige hatten arge Prügel bezogen. Dieser Andreas Anderegg näherte sich an jenem Abend im Herbst beim  Einnachten mit einem zentnerschweren Stein auf dem «Räf» seiner Hütte, deren Ruine noch heute zu sehen ist. Den schweren Stein wollte er auf seine Käsepresse legen.


Wie er mit seiner schweren Last auf den dritten Tritt der hölzernen Treppe hochstiegt, gewahrt er in der Hüttenecke einen fremdländisch aussehenden Mann in einem feuerroten Umhang. An seinem Rücken war unter dem Umhang ein grosser Buckel zu sehen Eine tief heruntergezogene Kapuze verwehrte Anderegg den Blick ins Gesicht des Fremden, der plötzlich im düsteren Nebel vor der Hütte stand. 

Das Regenkleid des Unheimlichen schien weder aus Tuch noch aus Leder zu sein Der Nieselregen lief in Tropfen an seinen Umhang, der im Wind raschelte wie die Flügel eines aufgescheuchten Vogels, hinunter „Dres Anderegg “ der noch mit seiner Last auf der Treppe stand raunzte ihn an „Was suchst du hier, bist du der Leibhaftige?  Dieser blieb wie angewurzelt stehen, schaute ihn mit einem ungeheuer stechenden Blick an. Dann griff der Fremde in seinen roten Umhang, und streckte ihm seinen Arm entgegen, dem augenblicklich ein ungeheurer Blitz entfuhr.  Anderegg wich mit seiner Last einen Schritt zurück auf die untere Treppenstufe, die sogleich unter der schweren Last zerbarst.


Anderegg fiel mit „Räf“ und Stein rückwärts ins Kellerloch hinunter wo er sich arg den Kopf aufschlug. Ob Teufel oder Unterteufel, war  dem „Dres“ nun einerlei, er rappelte sich auf, stiess einen Fluch aus, der länger war als sein „Räfstäcken“, griff nach eben diesem und hieb mit ihm nach den Teufel, - mit einer Wucht, dass wohl dessen Kopf  mitsamt den Hörnern auf die andere Talseite geflogen wäre, -wenn er ihn getroffen hätte.

Aber der Schlag ging ins Leere der Gehörnte war weg. Dort wo der Teufel gestanden hatte, waren die Abdrücke seiner Schuhe im nassen Boden zu sehen, deren Sohlen geheimmissvolle Zeichen in die Erde gedrückt hatten. Daneben lag ein schwarzer Spiegel. Anderegg hob ihn auf. Der Rahmen des Spiegels war aus fein poliertem Eisen, glänzend wie ein frisch geschliffenes Messer, der Spiegel hingegen war schwärzer als die nun aufkommende Nacht. „Dres“ steckte den Spiegel in den Sack und trug fluchend seinen Stein die kaputte Treppe hoch.


Den Stein wuchtete er an jenem Abend nicht mehr auf die Presse. Stattdessen warf er einige Holzscheite ins Feuer, um sich den Spiegel anzuschauen, den der Rote in seiner Angst verloren hatte.

Er hatte schon Geschichten von einem teuflischen venezianischen Spiegel, gehört, mit dem man in die Vergangenheit und in die Zukunft schauen konnte Mit der Hand wischte er den Dreck vom kalten Glas, - und beinahe hätte er ihn weggeworfen!  Der Spiegel blitzte auf und er sah das fein gemalte Brustbild einer jungen Frau vor einem lieblichen See. Im selben Moment begann der Spiegel zu erzittern und zu jammern und sprach mit einer Frauenstimme. Anderegg warf vor fluchend Schrecken des Teufels Spiegel ins lodernde Feuer, das Bild der Frau verblasste, ein Gestank wie er ihn noch nie gerochen hatte schwoll aus der Feuergrube. Die Rückwand des Spiegels begann sich zu wölben. Es knallte, wieder der Schuss eines Musketiers. Die Funken stieben aus der Feuergrube, in Andereggs Haare, in die Dachschindeln und ins alte Heu seiner Schlafstätte. Zwei Stunden später war die Hütte auf dem „Than“ nur noch ein rauchender Gluthaufen

Diesen Herbst stand an eben dieser Stelle ein Wanderer aus Bern, ein Nachkomme aus dem ehemaligen Berner Patriziat, das jenen aufmüpfigen Anderegg mit der hohen Buse ruiniert hatte, neben den Mauerresten der „Thanhütte“, und suchte nach dem kaum noch begangenen Weg.


Er war ein Weitwanderer, aber es machte keinen Spass. Seit zwei Stunden nieselte es aus dem Nebel und es wurde bereits dunkel. Er schwitzte unter seinem roten Regenschutz, der ihm als «atmungsaktiv“ verkauft worden war, dazu rutschte ihm die Kapuze dauernd über die Augen.


Dann erstarrte er: Neben den Mauerresten einer alten Hütte stand ein hünenhafter Mann in der Luft. Ein Meter über dem Boden, seine Kleider und seine Schuhe sahen aus wie aus einem anderen Jahrhundert. Am Rücken trug er ein hölzernes Traggestell, ein «Räf»   mit einem riesigen Stein beladen und schleuderte ihm unverständliche Worte entgegen. Instinktive, griff der Wanderer zum Handy unter seinem Regenschutz, um ein Bild dieser unheimlichen Erscheinung zu machen.  Die Kamera blitzte auf und die Gestalt machte einen Schritt zurück und fiel rückwärts in den Boden hinab, ohne dass sich dabei die zahlreichen Nesseln und Farne bewegten, so das Sekunden später nur noch die Unterschenkel mit den grossen Füssen in den Holzschuhen zu sehen waren. Dann verschwanden auch die Beine im Boden. Dafür tauchte am andern Ende wieder der Kopf aus der Erde auf und die Gestalt stieg aus der Erde auf, mitsamt seinem Stock. Mit eben diesem Stock holte er nun zu einem gewaltigen Schlag aus, als wolle er ihm den Kopf abschlagen. Der Wanderer lies sofort sein Handy fallen.

Die Polizei vermutete Steinschlag. Der beigezogene Forensiker der Spurensicherung hatte Zweifel. Denn trotz intensiver Suche konnte kein entsprechender Stein in der Nähe des Toten auf der Unfallstelle gefunden werden. Auch das Gelände sprach gegen Steinschlag. Der total zertrümmerte Schädel konnten nach Meinung des Forensikers ebenso von einem starken Schlag mit einem stumpfen Gegenstand herrühren. Allerdings fand die Spurensicherung keinerlei Spuren. die auf Fremdeinwirkung durch dritte hinwiesen. Der extra hochgeflogene Polizeihund verweigerte ängstlich winselnd die Suche und versuchte mit eingezogenem Schwanz aus der Umgebung der Ruine zu entkommen.

Ein weiteres Rätsel gaben die Überreste seines verkohlten Handys auf, das im Innern des alten Gemäuers in den Nesseln gefunden wurde   Es war geschmolzen. In den Kunststoffresten liessen sich frische Holzkohlenreste von Fichtenholz nachweisen. Eine Feuerstelle lies sich aber nirgends finden. Nach Abklärungen der Polizei war auf diesem Handy zur ungefähren Todeszeit, vom Besitzer noch ein Anruf aus der Anwaltskanzlei des Wanderers aus Bern entgegengenommen worden. Die anrufende Sekretärin, hatte allerdings nur eine offensichtlich fluchende Stimme gehört die sie nicht ihrem Chef zuordnen konnte, dann sei die Verbindung abgebrochen.

Christian Haueter