Ganz zuoberst mit dem grössten Rabatt ist nicht selten Schweizer Schweinefleisch. Etwa Schweinssteak vom Hals für Fr. 1.25 statt Fr. 2.10 per 100 g. Minus 40 Prozent! Ein wenig zu viel an inländischer Produktion – Branchenkenner sprechen von 5 bis 6 Prozent oder einigen 1000 Muttertieren – führte zu dieser Situation. Absatz vor Preis heisst es dann. Gerade Schweizer Schweinefleisch dürfte nicht zu solchen Preisen verscherbelt werden, denn kaum ein anderes Nahrungsmittel hebt sich in Produktion und Art dermassen vom Ausland ab.

Die Schweinehaltung hierzulande ist noch immer bäuerlich geprägt. Da können Tierschützer und Raumplaner noch lange von Massentier-
haltung und riesigen Ställen palavern. Die Realität ist eine andere. Die Sauenhalter haben meist zwischen 30 und 120 Muttersauen und besorgen die Tiere selber, die grösseren zusammen mit ein bis zwei Angestellten. Der Chef geht nicht nur zur Kontrolle in den Stall. In Dänemark sind
es rund 500 Sauen pro Betrieb. Im Einsatz sind dort vorwiegend fremde Arbeitskräfte. Schweizer Schweinemäster haben häufig 200 bis 300 Plätze. Im Ausland schafft eine Arbeitskraft allein um die 2000 Mastschweine.

Für diesen Mehraufwand oder die geringere Effizienz gibt es viel Gründe. Unter anderem sind Tierschutz- und Haltungsvorschriften dafür verantwortlich. Freies Abferkeln beispielsweise, wie in der Schweiz schon länger vorgeschrieben, gibt es noch in Norwegen und Schweden und in ein paar weiteren Ländern in bestimmten Labelprogrammen. Die Buchten hier sind rund doppelt so gross gegenüber EU-Standard. Die Ferkel werden in der Schweiz nur unter Narkose kastriert.
Eine Seltenheit. Deutschland beispielsweise geht in eine ähnliche Richtung, tut sich aber schwer. Die Branche in unserem nördlichen Nachbarland befürchtet gegenüber den grossen Ferkelexportländern Dänemark oder Niederlande grosse Wettbewerbsnachteile, die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit wird von dieser Gesetzesverschärfung abhängig gemacht. Auch Mastschweine haben häufig Auslauf in der Schweiz. Zwei Drittel  der Schweine werden nach BTS gehalten, also nochmals deutlich über den gesetzlichen Anforderungen. Allerdings will nur ein Drittel der Konsumenten dies auch honorieren, tönt es beim Produzentenverband Suisseporcs.

Die Schweiz ist ein Sonderfall, wenn es um die Gesundheit der Schweine geht. Viele als Seuchen taxierte Krankheiten sind bei uns ausgerottet.
Darunter fallen etwa Lungenerkrankungen wie PRRS, AP, EPP, aber auch Aujeszky und Mykoplasmen. Ein nationaler  Schweinegesundheitsdienst sorgt dafür, dass dies – globalisierte Welt zum Trotz –  auch so bleibt. Unter diesen Voraussetzungen und bei gutem Management wird weniger geimpft und medikamentös behandelt.

Die Schweizer sind moderate Fleischesser und konsumieren weniger Schweinefleisch (22 Kilo) als der durchschnittliche EU-Bürger. In Deutschland sind es 36 Kilo pro Kopf und Jahr. Der Konsum von Schweinefleisch bei uns ist rückläufig, im Trend und von Ernährungsberatern propagiert liegen andere Fleischprodukte. Häufig solche, die erst mit reichlich Gewürzen und Saucen aufgepeppt werden müssen.

Damit sind wir bei der Qualität. Es gibt Länder, da ist das Schweinefleisch das Fleisch der armen Leute. Dass dies bei uns nicht so ist, hat vor allem mit der Qualitätsschiene zu tun, auf welche die Branche seit geraumer Zeit setzt. Merkmale der Fleischqualität haben in der Zucht eine hohe Bedeutung, es geht nicht nur um die Quantität. So ist der Anteil an intramuskulärem Fett fast doppelt so hoch wie in anderen Ländern. Die Schweiz hat ein eigenes Zuchtprogramm und Rassen, die sich vom Ausland abheben. Etwa der Endprodukteeber Premo, hervorgegangen aus der Edelschwein-Vaterlinie. Qualitätsmerkmale werden im Zuchtziel zu einem Drittel gewichtet.

Ja, man sieht viele Tiertransporter auf der Strasse. Diese sind aber nur kurz unterwegs. Im europäischen Tierhandel werden etwa jährlich vier Millionen Ferkel aus Dänemark nach Polen gekarrt. Aber auch Ungarn oder Italien importieren gerne. In der EU sind Fahrten von bis zu 24 Stunden erlaubt. 

Schweinefleisch aus der Schweiz ist ein Premium-Produkt. Die Branche hat mit mehreren Projekten in diesem Bereich die Weichen für die Zukunft gestellt. Da  Export wegen Preisunterschieden kaum ein Thema ist, gilt es nun die Inlandproduktion zu drosseln, damit das Fleisch an der Verkaufsfront nicht mehr verschenkt werden muss. Der «Waschmittel-Status» muss unbedingt verhindert werden. Denn das weisse Pulver wird längst nur noch gekauft, wenn es Aktion ist. 

Armin Emmenegger