Pro sanktioniertem Betrieb wurden im Schnitt gut 1100 Franken nicht ausbezahlt. Grösstenteils handelt es sich gemäss demselben Bericht um administrative Mängel, weil der Papierkram nicht in Ordnung war. Wie das Bundesamt für Landwirtschaft zu Protokoll gab, sind etwa 10% der Fälle schwere Verstösse gegen Tierschutz oder ökologische Vorschriften. 7230 Mal hat ein Kontrolleur mehrmals festgestellt, dass der Bauer nicht ganz den Vorgaben folgt. 7230 Mal wurde nicht mehr nur geredet, sondern sanktioniert.

7230 Sanktionen ist viel. Man könnte in Bezug auf Direktzahlungen auch sagen: Die Bauern wissen nicht, was sie tun (müssen). Und die Behörden haben Macht und Mittel, ebendiese Gelder vorzuenthalten. Aber es ist komplizierter. Und zugrunde liegt der ganzen Misere ein System, das auf Macht und Kontrolle der Ämter und Behörden ausgelegt ist. Macht ist dabei die Möglichkeit, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen. Gerade bei der Umsetzung der Agrarpolitik zeigt sich das Macht- gefälle gut. Landwirte folgen nämlich eher widerwillig den sich verändernden Vorschriften. Aber sie müssen, haben kurzfristig keine andere Wahl. Denn das agrarpolitische Instrument der Direktzahlungen ist direkt einkommenswirksam. Wie nämlich die Auswertung der Betriebsergebnisse zeigt, machen die Direktzahlungen über alle Regionen grob etwa 20 bis 35% des Betriebsertrages aus. Schenkt man den Zahlen Vertrauen, lässt sich feststellen, dass die Produktionskosten mehr oder weniger gedeckt werden können. Die Direktzahlungen dienen als Puffer, sorgen dafür, die Existenz zu sichern.

Das hat mit der Geschichte der Direktzahlungen zu tun und führt zu zwei ernüchternden, aber wenig überraschenden Effekten: Erstens macht der Sanktionskatalog fast einen Drittel der gesamten Direktzahlungsverordung (Ausgabe mit Weisungen) aus. Grund dafür ist der Umstand, dass der Staat transparent machen muss, wie das Geld dafür verteilt wird. Und der Staat muss im Sinne der Rechtsstaatlichkeit auch transparent darlegen, was passiert, wenn ein Bauer die Auflagen nicht erfüllt. So sind die notwendigen Kontrollen auch in bäuerlichen Kreisen im Grundsatz unbestritten. Es geht schliesslich um viel Geld. Und um die Glaubwürdigkeit eines ganzen Berufsstandes.

Zweitens sorgt der an Auflagen gebundene Geldsegen für volle Kurslokale und ein paar Stellen für gut ausgebildete Technokraten. Dann nämlich, wenn über die Direkt- zahlungsoptimierung gesprochen wird. Kurzfristig wird an den Direktzahlungen geschraubt, wirksam die Einkommenssituation verbessert. Es ist zwar richtig, dass sich die Landwirte an den Bundesprogrammen beteiligen und das Geld abholen. Aber eigentlich wäre es besser und wichtiger, sich um Boden, Tiere, Familie, Freunde und die Marktentwicklung zu kümmern, statt Bürokratie und Bund zu dienen. Aber die Marktlage, das System, die Akteure, lassen das im Moment kaum zu.

Den Preis, den man dafür bezahlt: Die Bauern werden langfristig zu Bittstellern degradiert, die in der Abhängigkeit der Bundesgelder verharren (müssen). Wer unternehmerisch tätig sein will, muss sich aus einem ganzen Korsett befreien. Das wissen all jene Landwirte, die versuchen, eigene Wege zu gehen. Und selbst im Agrarjournalismus ist es einfacher, gegen Bund, Kantone und die Behörden zu wettern, anstatt über die Frage zu sinnieren, was zukunftsfähige Landwirtschaft in der Schweiz sein kann. In Bezug auf die Behörden und die Direktzahlungen stellt sich nun vor allem eine Frage: Wie soll eine Zukunft jenseits von Amtsmacht und bäuerlicher Ohnmacht aussehen? Die Zukunft beginnt mit dem Landwirt, den Bauern. Eigentlich wollen sie selbst bestimmen, was sie machen. Sie wollen und können Verantwortung übernehmen.

Das bringt mehr Verpflichtungen mit sich. Denn mehr Freiheiten haben auch mehr Verantwortlichkeiten zur Folge. Das beginnt bei Marktfragen und führt bis zum Tierschutz. Die Zeiten, in denen der Bund und die Behörden für Ordnung sorgen, wären gezählt. Stattdessen würden verantwortungsvolle Bauern und ihre Organisationen selbst für Ordnung sorgen. Statt auf die Bundesbeschlüsse zu warten, würde man sich auf den Weg in eine schöne, bessere und hoffentlich entspanntere Zukunft machen und der Ohnmacht und Abhängigkeit ein Ende setzen.

Hansjürg Jäger