Inhaltlich lässt sich der Text etwa so zusammenfassen: Trump suggeriert, dass er unfair behandelt wird. Und er rechtfertigt damit das unfaire und rüpelhafte Benehmen von sich und seinen Anhängern. Oder anders gesagt: Donald Trump macht sich und seine Wähler zu Opfern der Elite und der Welt. Damit löst er sich von der Verantwortung, etwas für diese Welt zu tun. «Die anderen sind schuld», ist da der programmatische Kern.

Sie mögen fragen, was das mit der Schweizer Landwirtschaft zu tun hat. Nun: in einem grossen Teil der Landwirtschaft, der öffentlich verhandelt wird, zeigt sich sehr oft ein ähnliches Muster. Nicht umsonst werden Schweizer Landwirte gerne als «Jammeri der Nation» wahrgenommen. Die öffentliche Landwirtschaft wird gerne zum Opfer stilisiert. Zum Opfer äusserer Umstände. Zum Opfer der (Agrar-)Politik, der fiesen nichtbäuerlichen Nachbarn oder der Marktkräfte. Das ist eigentlich eine gute Ausgangslage für einen saftigen Text. Unterwegs in einem Wust an Argumenten, theoretischen Konzepten und allerlei Fakten, verlor sich der Textentwurf aber in Details. Und der Entwurf verlor sich in unpassenden Zuschreibungen und Vereinfachungen. Dass sich der Text verlor, hat zwei recht einfache Gründe: Erstens gibt es «die» Landwirtschaft nicht. Und zweitens entziehen sich die Landwirte nicht der Verantwortung.

Zuerst: Was ist Landwirtschaft? Wenn man das Bundesamt für Statistik fragt, dann ist die Schweizer Landwirtschaft eine Ansammlung von 52'263 Landwirtschaftsbetrieben, auf der 153'359 Menschen 1,049 Mio Hektaren Land bewirtschaften und 1,555 Mio Rinder und 1,454 Mio Schweine betreuen. Alleine diese fünf Zahlen zeigen: Es gibt mindestens 52'263 Betriebs- und Familiengeschichten. Es gibt 153'359 Sichtweisen, was Landwirtschaft ist, wie sie riecht, schmeckt und sich anfühlt. Man braucht keinen Hochschulabschluss, um zu merken: Auf dieser Basis die Bauern als Opfer darzustellen, ist falsch.

Genauso falsch wäre, zu sagen, dass sich die Landwirte der Verantwortung entziehen. Würden sie das nämlich machen, dann gäbe es die Landwirtschaft gar nicht. Wären die Bauern verantwortungslos, dann hätten die Statistiker keine 52'263 Betriebe, keine 1,555 Mio Rinder und keine 1,454 Mio Schweine mehr zu zählen. Es gäbe keine Regionalprodukte und keine Naherholungsgebiete. Es gäbe keine Nahrungsmittelproduktion. Nichts. Eine Landschaft ohne Bauern wäre bestenfalls ein riesiger Vergnügungspark, aber sicher kein Lebensraum für Mensch und Tier.

Richtig ist höchstens, dass man politisch die Landwirtschaft als Opfer der äusseren Umstände darzustellen versucht. Das Kalkül dahinter ist einfach wie wirksam: eine wesentliche Aufgabe des Staates besteht darin, Minderheiten und Benachteiligte zu schützen. Wer sich als bedürftige Gruppe inszeniert, dem wird geholfen. Politisch gesehen ist ein jammernder Bauer also ein guter Bauer. Doch auch das stimmt so absolut nicht. Es gibt schon Politiker, die sich in der Landwirtschaft nach wie vor mit dem 21. Jahrhundert sehr schwer tun. Sie träumen noch von Milchmengensteuerung, und einem Staat, der alle Überschüsse – ohne Fragen zu stellen – abkauft und auf den Weltmärkten verramscht. Aber sie sind in der Minderheit.

Nicht anders sieht das bei den Landwirten aus. Es gibt mehr, als den «Jammeri der Nation». Und es ist bei weitem nicht so, dass man von diesen mutigen und zukunftsgewandten Bauern nichts hört. Denn viele sind präsent, engagieren sich dort, wo sie es wichtig finden. Sie nehmen ihre Verantwortung wahr und sehen sich selbst sicher nicht als Opfer.

Damit bleibt eine Frage übrig: wie kommt man als Agrarjournalist auf die leicht absurde Idee, einen Text mit dem Arbeitstitel «Die Welt ist böse, fies und gemein! Wirklich?» schreiben zu wollen? Vielleicht weil man hin und wieder echt erstaunt darüber ist, wie
visions- und ambitionslos die heutige Agrarpolitik von bäuerlicher Seite vorangetrieben wird. Vielleicht, weil man sich hin und wieder fragt, warum die Forderung «wir brauchen eine produzierende Landwirtschaft» ohne weitere Erklärung gehört und aufgenommen wird. Darf man von der Politik und den gewählten Vertretern nicht mehr erwarten, als hohle Phrasen und die Besitzstandeswahrung? Die Antwort ist klar: doch!

Hansjürg Jäger