Es ist noch früh am Morgen und der Mond lässt die Berge in einem silbrigen Glanz schimmern. Seelig liege ich im Gras und es kommt mir mal wieder hoch. Genüsslich fange ich an zu kauen. So träume ich vor mich hin und genieße die Zeit, bevor es wieder los geht.

Die Nacht weicht und der Tag bricht an. Im morgen grauen sehe ich ein Licht auf blitzen. Das erste Signal, dass ich gleich aufstehen muss. Aber nichts überstürzen. Der Lichtschein ist noch in weiter Ferne. Doch kurz darauf wird die Ruhe gestört. Der fellige Vierbeiner fängt an zu bellen. Er ist zwar noch ein Stück entfernt, aber kommt schnell näher. Warum diese Eile? Ich verstehe das nicht. Und wie lästig dieser kleine Plagegeist ist. Er will einfach nie Ruhe geben. Besser man tut was er will.

Ich erhebe mich so grazil es eben möglich ist, wenn man so groß ist wie ich es bin. Jetzt fängt auch noch der Zweibeiner an zu rufen, der mit dem der kleine Vierbeiner immer unterwegs ist. Kaum hab ich mich am Abend hingelegt muss ich auch schon fast sofort wieder aufstehen. Wenn ich doch bloß ein wenig mehr Ruhe hätte. Aber so ist das nun mal. Ich hab es hier ja eigentlich schon sehr schön. Zumal ich einen gewissen Druck in meinem Euter verspüre. Also mache ich mich gemächlich auf den Weg.

Aber so schnell wie der Vierbeiner es gerne hätte, bin ich dann doch nicht. Wie kann er bloß all die Leckereien auf dem Weg ignorieren? Ein Grashalm hier, ein Kleeblatt dort und die Kräuter schmecken auch besonders gut. Hier war doch auch eine Wasserstelle in der Nähe? Ich mach mich mal auf die Suche. Einen kleinen Abstecher kann ich mir schon mal genehmigen. Sobald der Durst gelöscht ist, geht’s weiter. Dann dauert es auch nicht mehr lange und ich stehe mit meinen Kolleginnen vor dem Stall. Hier ist immer was los. Jetzt wird’s nämlich schwierig, da jede von uns auf ihren ganz speziellen Platz muss. Es gibt tatsächlich noch einige die das noch nicht verstanden haben und den falschen Platz blockieren. Dann ist der Ärger vorprogrammiert. In der Regel findet dann keine mehr den richtigen Platz und jede stellt sich dort hin wo noch was frei ist. Das reinste Kuddelmuddel. Uns stört das allerdings nicht groß. Den Zweibeiner schon. Er versucht Ordnung in den Stall zu bringen und führt jede von uns an ihren Platz.

Nach der Aufregung ist erstmal wieder ein Päuschen an der Reihe. Zeit zum Wiederkäuen, schlafen oder Muhen. Und dann ist es soweit. Der Zweibeiner kommt zu mir und kurz darauf lasse ich die Milch los und der Druck entweicht. Ein tolles Gefühl.

Dann geht’s wieder raus auf die Weide. Futter, Futter, Futter. Ich war sehr hungrig und es braucht eine ganze Weile bis ich satt bin. Warum laufen die meisten Tiere einfach über das gute Gras? Wissen sie nicht was für unterschiedliche Geschmäcker so eine Wiese hat? Ich fange jetzt lieber nicht an zu beschreiben, was für Köstlichkeiten sich auf einer Weide verstecken. Nicht, dass euch noch das Wasser im Mund zusammen läuft. Aber ein Geheimtipp gebe ich noch, probiert mal zwei Kleeblätter mit einem Alpen-Lieschgras und drei Bisse Frauenmantel. Meine Lieblingszusammensetzung.

So vergeht der Tag. Essen, Trinken, Wiederkäuen, ausruhen, Aussicht genießen. Und dann kommt auch schon wieder der Zweibeiner mit seinem aufgeregten Gefährten. Ein weiter Weg besteht uns bevor.

Aber auch den werden wir schaffen. Denn wir wissen, heute Abend geht’s wieder raus, raus auf die Weide, den lauen Sommerabend genießen, liegen, wiederkäuen, ins Tal schauen und dann verabschiedet sich der Tag mit einem Alpenglühen, bevor die Nacht beginnt.

Lea Kluge