Am 14. Juni vor 35 Jahren ist der Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung verankert worden. Am 14. Juni dieses Jahres werden wiederum Frauen aller Generationen schweizweit mit Aktionen ihren Forderungen Ausdruck  verleihen. Denn Frauen leisten weiterhin den grössten Teil der unbezahlten Arbeit. Und für gleichwertige Arbeit verdienen sie immer noch rund 20 Prozent weniger als Männer.

In der Landwirtschaft verdienen die meisten auf dem Betrieb arbeitenden Frauen nicht einfach weniger als die Männer, sondern schlicht gar nichts. Gemäss Erhebungen des Bundesamtes für Statistik erhalten rund 19 000 mitarbeitende Ehefrauen und Lebenspartnerinnen keinen Lohn für ihre Arbeit. Unentgeltlich mitzuarbeiten gehört gerade in der älteren Generation noch zum Selbstverständnis der Bäuerinnen. Oft wird auch auf eine Entlöhnung verzichtet, weil dem Betrieb dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Kein Lohn bedeutet aber auch keine Sozialversicherungsbeiträge. Fehlt dazu die rechtliche Absicherung, stehen die Bäuerinnen im Falle einer Trennung oder eines Schicksalsschlages finanziell schlecht da.

Als Folge schmerzlicher eigener Erfahrungen hat vor rund 15 Jahren eine Gruppe Westschweizer Bäuerinnen die Diskussion um die Rechte der Bäuerin lanciert. Die Branche hat das Thema breit abgestützt aufgenommen. Es ist unter anderem das Nachschlagewerk «Bewusst Bäuerin sein» geschaffen worden und es wird seither mit verschiedenen Mitteln über unterschiedliche Kanäle kontinuierlich informiert. So wissen heute sowohl die meisten Bäuerinnen als auch alle Multiplikatoren in Bildung und Beratung um die möglichen juristischen Möglichkeiten, mit welchen der Status der Bäuerin verbessert werden kann.

Die Auseinandersetzung mit dem Status der Bäuerin hat überdies dazu geführt, dass die Leistungen der Bäuerinnen sichtbarer geworden sind in den vergangenen Jahren und die Frauen heute selbstbewusster für die angemessene Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit einstehen als noch ihre Mütter. Denn eines ist sicher, die Bäuerinnen tragen sehr viel zum reibungslosen Funktionieren und ökonomischen Erfolg eines Landwirtschaftsbetriebes bei. So übernehmen Bäuerinnen vielfach eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, neue Betriebszweige aufzubauen oder in landwirtschaftsnahe Tätigkeiten zu diversifizieren.

Gleichstellung in der Landwirtschaft steht deshalb nicht nur für das Recht auf bezahlte Arbeit, sondern auch für das Recht der Frauen mitzureden bei betriebswirtschaftlichen Entscheiden und für das Recht auf partnerschaftliche Betriebsführung. Sie sollte längst eine Selbstverständlichkeit sein. Zumal Frauen, welche die Bäuerinnenausbildung absolvieren, fachlich bestens gerüstet sind dafür. Die Bäuerinnenbildung leistet generell einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Frauen in der Landwirtschaft. Nicht zuletzt, weil der Fachausweis Bäuerin seit einigen Jahren dem Fähigkeitszeugnis Landwirt gleichgestellt ist. Das berechtigt die Frau als Betriebsleiterin zum Bezug von Direktzahlungen und Investitionskrediten.


Verantwortlich für die Kinder, den Haushalt, die Administration, Mitarbeit auf dem Betrieb, und/oder ausserbetrieblicher Erwerbstätigkeit, Betreuung von pflegebedürftigen Familienangehörigen… Bäuerinnen sind häufig doppelt und mehrfach belastet. Nur selten werden sie in dem Mass entlastet, wie sie neue Aufgaben übernehmen. Die Bereitschaft der Männer, sich an Familien- und Hausarbeit zu beteiligen, hat sich zwar gemäss der Zeitbudgeterhebung 2011 von Agroscope in den vergangenen 30 Jahren ganz leicht erhöht, ist aber immer noch äusserst bescheiden. Dabei könnte Offenheit für eine flexible Rollenteilung nicht nur die Familienbande stärken, sondern auch der Entwicklung des Betriebes förderlich sein.

Entsprechende Umdenkprozesse brauchen viel Zeit, werden individuell durch Veränderungen im Umfeld beschleunigt. So ist es längst nicht mehr selbstverständlich, dass die Frau mit der Heirat, dem Einzug auf den Bauernhof die Rolle übernimmt, die als Angehörige eines Standes an sie herangetragen wird. Immer häufiger stammen die Frauen aus nicht-bäuerlichem Umfeld. Ihr Erfahrungshintergrund ist ein ganz anderer, wodurch sie neue Impulse für die Arbeitsorganisation wie für die allgemeine Lebensausrichtung auf den Hof mitbringen.

Die sich wandelnden wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen tragen noch in einem weiteren Bereich zur Stärkung der Stellung der Frauen in der Landwirtschaft bei. Nachdem über Generationen hinweg stur an der kulturell verankerten patrilinearen Hofnachfolge festgehalten wurde, erhalten heute auch Frauen vermehrt die Chance. Möglich macht das unter anderem der technische Fortschritt. Zu häufig noch ist es aber einfach dem starken Wunsch der abtretenden Generation zu verdanken, überhaupt einen Hofnachfolger zu haben.

Aktuell sind rund fünf Prozent der landwirtschaftlichen Betriebsleiter weiblich. In landwirtschaftlichen Organisationen und Verbänden ist der Anteil Frauen noch tiefer.


Auch hier gilt: Damit sich die Bäuerinnen und Familienfrauen engagieren können, brauchen sie nebst Vorbildern, Selbstbewusstsein und Mut Entlastung in anderen Bereichen. Und weiterhin eine starke Lobby.

Esther Zimmermann