Normalerweise kniet Monika Zehnder mitten in den Gänseküken. Beim Training für den Frauenlauf hat sich die sportliche Frau vor Wochen aber am Knie verletzt. Mittlerweile darf sie wieder ohne Krücken über den Hof hinken. Aber auch wenn sie auf dem Harass sitzt, scharen sich die gelb-braunen Küken um sie und zerren an den grünen Grashalmen im Stroh. Sobald der Flaum den Federn weicht, weiden die Gänse draussen.

«Ich mag diese Tiere gerne. Sie sind stolz und gehorsam zugleich», sagt die 32-Jährige. Und schmunzelnd erzählt sie, wie toll es war, als die Tiere im ersten Jahr begannen, auf ihre Stimme zu hören.

Abends brauchte Monika Zehnder nur zu rufen und die Weidegänse spazierten in den Stall. Alles schön und gut bis Ehemann Martin die Gänse einige Tage alleine versorgen musste. Keine vertraute Stimme: Die Gänse dachten nicht daran, sich auf Kommando in den Stall zu begeben. «Da haben wir uns etwas anderes ausgedacht», blickt sie zurück. Nun läutet Monika Zehnder mit einem kleinen Schafglöcklein: Mit der Zeit kennen die Gänse das Gebimmel und machen sich auf den Weg.

Neue Aufgabe

Nach der Geburt ihres ersten Sohnes vor sechs Jahren hat Monika Zehnder ihren Bürojob an den Nagel gehängt. Eine 20-Prozent-Arbeit ausser Haus ergab sich gerade nicht. Und so machte sie sich auf die Suche nach einem eigenen Betriebszweig auf dem Hof. Fündig wurde sie in den Weidegänsen.

Von Juni bis Dezember hält Monika Zehnder rund 120 Tiere und vermarktet diese direkt. Am Anfang gehörten vor allem Kunden mit einem Bezug zu Deutschland oder Österreich zu den Käufern. Schliesslich hat in diesen Ländern die Martins- oder die Weihnachtsgans Tradition. Mittlerweile gehören Grossverteiler, Stammkunden oder Leute, die einmal etwas Neues probieren wollen, zu den Abnehmern. Selbstverständlich kommt auch bei Zehnders um die Weihnachtszeit ein gefüllter Gänsebraten auf den grossen Esstisch.

Bereits seit zehn Jahren wohnt Monika Zehnder auf der Egg in der Gemeinde Wald BE. Der Hof liegt auf rund 900 Metern über Meer, oberhalb Kühlewil.

Irgendwann ein Nähkurs

Ehemann Martin kennt sie seit Kindertagen. Die gebürtige Spiezerin hatte jeweils ihre Ferien bei den Grosseltern auf dem nahe liegenden Bauernhof in Zimmerwald verbracht. Die Wege der beiden führten sie jedoch erst in Grindelwald zusammen: Monika arbeitete dort als Sportartikelverkäuferin und Martin war mit den Hockeyspielern im Trainingslager. Und natürlich hatte sie damals andere Pläne: die Welt entdecken und sicher keinen Bauern heiraten.

«Nun möchte ich nichts anderes mehr», sagt die fröhliche Frau. «Ich empfinde es als Privileg, dass unsere beiden Buben so aufwachsen dürfen. Ich bin gerne in der Natur und finde es toll, dass die Kinder dabei sein können, wenn ich draussen arbeite.»

Sie sprudelt vor Ideen, hat Pläne, wie sie die Direktvermarktung ausbauen möchte. Und was macht sie nicht gerne? «Da fällt mir nichts ein.» Und wenn es so wäre, dann würde sie etwas ändern müssen, sagt sie. Heuer zum Beispiel probieren Zehnders zwei neue Kartoffelsorten aus. Es sei eine spannende Herausforderung, sagt Monika Zehnder. «Umso mehr bei diesem regnerischen Juniwetter.»

«Es gibt aber schon etwas, das ich nicht gut kann: flicken.» Im Moment stopft die Schwiegermutter die Löcher in den Kleidern. «Irgendwann mache ich einen Nähkurs», sagt Monika Zehnder. Damit wird der Ideenplan für die Zukunft um einen Punkt verlängert.

Betriebsgemeinschaft

Nebst Weidegänsen halten Martin und Monika Zehnder Truten und eine bunt gemischte Mutterkuhherde sowie Aufzuchtrinder. Vor drei Jahren haben sie auf Bioanbau umgestellt. Kurz darauf folgte der Schritt, sich mit Sandra und Peter Blatter von der Gruben zu einer Betriebsgemeinschaft zusammenzuschliessen. Nach einem Probejahr entstand im Januar 2015 die Betriebsgemeinschaft Grubenegg.

Monika Zehnder ist für die Direktvermarktung zuständig. «Ich mag den Kundenkontakt», sagt sie. Damit diese Begegnungen etwas Besonderes werden, legen sich Sandra Blatter und Monika Zehnder ins Zeug. Monika Zehnder organisiert das Metzgen und den Verkauf. Im Spycher auf der Gruben wird gebacken: Aus dem Fleischkauf wird ein Erlebnis für die grosse und kleine Kundschaft aus nah und fern.

Sandra Joder