Claudia Ruh führt uns hinauf zur neuen Maschinenhalle oberhalb des Tannenhofs, den sie mit ihrem Mann Felix bewirtschaftet.  Drinnen steht ihr Traktor, mit dem sie gerne grubbern geht. Da ist gut Platz für die Kipper, mit welchen sie Getreide führt; für die zwei Mähdrescher, die neben Felix auch Tochter Corine und Sohn Armin fahren.  

Als Claudia mit 20 Jahren Felix Ruh heiratete, war der Tannenhof ein kleiner gemischter Betrieb. 1989 übernahm ihn das junge Paar. Immer wieder erwarben sie Land und erweiterten 
die Gebäude.


Schlaflose Nächte


Heute führen sie einen beachtlichen Ackerbaubetrieb mit zehn Hektaren Wald. Die ganze Zeit über arbeitete Felix Ruh als Pflanzenbauberater. Claudia Ruh musste oft alleine Entscheidungen treffen – soll ich den Tierarzt jetzt anrufen oder nicht? Der Schuldenberg drückte, sie hatten vier kleine Kinder.  «Da hatte ich manchmal schon schlaflose Nächte.» Sie lernte dabei, täglich das Gute zu sehen, sich an der Natur und den Jahreszeiten zu freuen; daran, dass sie gesund seien 
und es gut hatten in der Familie.


Mit Holz einbringen und Schuhe aufräumen fingen die Kinder zu helfen an. Das Heu wurde miteinander eingebracht, danach wurde am Abend mit Glacé gefeiert. «Das gibt Zufriedenheit und Zusammenhalt», stellt die Bäuerin fest. Ihr war es stets wichtig, nicht nur den Betrieb im Kopf zu haben. Sie nahm sich bewusst Zeit für die Aufgaben und Geschichten eines jedes Kindes. «Das war schon anspruchsvoll, wenn man am Abend müde ist.» Sie ging viel mit den Kindern zum Spielen im Wald, wovon sie heute noch gerne erzählen.


Flexibilität ist gefragt


Ihre Kinder sind jetzt alle erwachsen, haben Familie, arbeiten oder sind am Studieren. Sie kommen gerne auf den Hof zur Mithilfe bei Arbeitsspitzen, oder beim Chränzli vom Männerchor, in dem ihr Vater singt. Die 90-jährige Schwiegermutter wohnt noch selbstständig in der Nähe. Claudia Ruh schaut täglich vorbei, betätigt ihre Einkäufe und begleitet sie zum Arzt. Regelmässig hütet sie die drei Enkelkinder, wenn ihre Tochter arbeitet. «Das Jonglieren der vierGenerationen ist nicht immer einfach!», sagt sie lachend.

Eigentlich wollte Claudia Ruh gestern im Haus Ordnung schaffen nach dem ausgiebigen Feiern derFesttage. Felix Ruh wollte aber Tannen fällen. So verbrachten sie den Tag zusammen im Wald, mit Bräteln zum Zmittag. «Ich muss recht flexibel sein, umstellen können und Prioritäten setzen.»  Claudia Ruh ist gerne mit Felix draussen im Wald oder auf den Maschinen, aber «manchmal habe ich schon ein wenig Mühe, wenn ich zuhause etwas angefangen habe und umstellen muss.» Da kann sie auch mal ‚Nein‘ sagen.


Als ihr Mann vor fünf Jahren die Schultern operieren liess, musste Claudia Ruh vermehrt mit den Maschinen umgehen. «Da braucht es manchmal etwas Mut.» Sie erzählt, wie sie mal an einer Steigung anhalten musste, als sie Getreide in die Annahmestelle fuhr. Beim Weiterfahren stand der Traktor vorn auf, die Leute am Strassenrand blieben stehen, schauten zu. Sie sei sehr langsam angefahren, es ging. «Solche Sachen vergisst du nicht.»


Die geschäftlichen E-Mails kommen bei Claudia an. Die verschiedenen Formulare füllt sie dann zusammen mit ihrem Mann aus. Das Büro muss halt gemacht werden. Lieber wäre sie draussen auf dem Feld mit dem Geruch von frischer Erde. Einen gesunden Boden zu pflegen ist für beide wichtig.


Vernarrt in die Weite


Als Selbstversorger fängt die Saison im Frühjahr mit Bärlauchpesto an und endet im Herbst mit der Kürbissuppe. Konfitüre, Sirup und Säfte vom grossen Gemüse- und Obstgarten werden eingekocht, Süssmost gemacht und etwas Obst ins Fass gebracht. Ruhs halten noch zwei Mutterkühe und 20 Hühner. Das eigene Fleisch zu haben, ohne dafür viel Kraftfutter einsetzen zu müssen, findet Claudia Ruh wichtig.


Ihr Blick schweift über die frisch verschneite Ebene um das Dorf Buch. «Ich liebe diese Weite, es ist so schön.» Da ist ihr Arbeitsplatz, hier geht sie Walken oder fährt Velo, spaziert den Feldern entlang mit ihrem Mann. Hier ist sie zufrieden und glücklich.

Marianne Stamm