Die Aussicht auf dem Längfeldhubel zwischen Eggiwil und Schangnau BE ist prächtig. Stolz grüssen Hogant, Schrattenfluh und Schybegütsch herüber. Doch um all die Schönheiten vor der Haustüre zu geniessen, fehlt Ruth Salzmann oft die Zeit, vielfältig sind ihre Tätigkeiten. Geboren wurde die Bäuerin in Zürich, aber mit fünf Jahren kam sie ins Schangnau und wuchs neben der Bäckerei Stein auf. Der Betrieb der Familie Riedwyl-Oberli, auf welchem die legendären Kemmeriboden Merängge hergestellt werden, begleitet sie seither durchs Leben.

Damenschneiderin gelernt

Als die Schulzeit im Schulhaus Bumbach absolviert war, schnupperte Ruth Salzmann am Genfersee «Französisch sprechende Luft». Danach lernte sie mit Nadel und Faden umzugehen. Nach der Ausbildung zur Damenschneiderin (so hiess der Beruf damals) wurde ihr Arbeitsort ein Modegeschäft in der Bundesstadt.

«Schon in der Schule schnallte ich im Winter die Ski an und auf der Piste lernte sich die Jugend, auch vom Nachbardorf Eggiwil, kennen. Darunter war Hans, der einige Jahre später auf der Landjugendreise nach Österreich mein Herz endgültig eroberte», erinnert sich Ruth Salzmann lächelnd. Im Jahr 1985 wurde die Hochzeit gefeiert. Vorher absolvierte die junge Frau die Haushaltungsschule Schwand in Münsingen BE. Das sei für sie ein wunderschöner Sommer gewesen.

Mit den Kindern Simon (1986), Miriam (1988) und Roland (1990) wuchs eine glückliche Familie, mit Grosskind Naela wächst bereits die nächste Generation heran.

Schindeln fertigen

Auf 970 m ü. M. führt das Ehepaar Salzmann einen Weidebetrieb. 1990 machte Ruth Salzmann die Bäuerinnenprüfung. Im Jahre 1991 konnte der Hof käuflich erworben werden, und seither gab es immer wieder bauliche Veränderungen.

Bei 29 Hektaren Land stehen die Milchwirtschaft und Viehzucht mit 20 Kühen und 30 Stück Jungvieh im Vordergrund. Auch Lehrlinge finden seit 2002 einen spannenden Ausbildungsort. Einen sehr wichtigen Stellenwert haben auch 25 Hektaren Wald. Aus einem kleinen Teil des genutzten Holzes werden Schindeln angefertigt. So wurden 2015 für das Zuguet-Haus insgesamt 80 00 Stück hergestellt. Das «Heimet» ist bekannt als Geburtsort des Dichters und Lehrers Simon Gfeller, der unter anderem das Stück «Heimisbach» schrieb.

Veränderungsprozess

Nach Rückenproblemen und der damit verbundenen Operationen ist es Ruth Salzmann heute nicht mehr möglich, wie gewünscht auf dem Betrieb mitzuhelfen. Dies war ein sehr einschneidender Veränderungsprozess für die aktive Bäuerin.

Als Folge davon begann sie sich  stärker in der Freiwilligenarbeit zu engagieren. Als Präsidentin im Landfrauenverein Siehen–Eggiwil organisierte sie auch Kurse der Erwachsenenbildung. Seit 2011 ist sie Mitglied im Vorstand des Verbands bernischer Landfrauenvereine (VBL). In dieser Funktion wirkt sie in den Fachkommissionen Bildung und Bildungsjahr Hauswirtschaft. Seit über 20 Jahren gehört die Sonntagsschule in Siehen fest in die Agenda von Ruth Salzmann. Auch im Kirchgemeinderat Eggiwil ist seit 16 Jahren die Stimme der vielseitigen Familienfrau wichtig, in den letzten sechs Jahren als dessen Präsidentin.

«Während 16 Mittwochnachmittagen im Jahr widme ich mich als Mitarbeiterin in der Kirchlichen Unterweisung (KUW)  den Jugendlichen. Sehr gerne bin ich in den 3. bis 5. Klassen im KUW mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien unterwegs auf den Spuren des Glaubens», stellt Ruth Salzmann fest. Die Kirchgemeinde ist ihr wichtig, aber trotzdem wird auf Ende 2016 das Amt als Kirchgemeindepräsidentin beendet, um Zeit für Neues zu gewinnen und die Grosstochter etwas mehr geniessen zu können.

Viel Handarbeit

Nebst ihren Aufgaben arbeitet Ruth Salzmann an zwei halben Tagen in der Woche in der Bäckerei Stein. Ihr ganzes Leben hat sie den Faden zu den Menschen und dem Betrieb nie verloren. Mit viel Geschick verpackt sie die luftig leichten «Kemmeriboden Merängge» in Beutel. Diese werden im Gastgewerbe und Fachgeschäften fast schweizweit verkauft. Von Zermatt bis Arosa sind die süssen Produkte aus Eischnee und Zucker ein Begriff.

Die ersten geschichtlichen Überlieferungen der «Kemmeriboden Merängge» gehen auf das Jahr 1939 zurück und deren Erfinder Christian und Berta Oberli-Probst. Weil ein Bauer zu viel «Nidle» (Rahm) hatte, wurde ein neues Gebäck erfunden. Vieles wird im Familienbetrieb heute immer noch genau so von Hand gemacht wie damals.

Auch wenn die Zeit schon für ihre Hobbys wie nähen, stricken und töpfern manchmal etwas fehlt, einige Träume hat Ruth Salzmann trotzdem. «Gerne mache ich Reisen, mein Bruder ist Feld-Ornithologe, viel habe ich in Norwegen und Island in der Natur schon beobachtet. Auch mit meinem Mann möchte ich einmal eine grössere Reise machen, denn ich habe den Norden sehr gerne», meint Ruth Salzmann.

Barbara Heiniger