Ihre Arbeit als Bäuerin habe sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt, erzählt Charlotte Keller. «Früher haben mein Mann und ich viele Arbeiten gemeinsam erledigt. Wir hatten einen eigenen Silohäcksler und einen Betonsilo, welchen wir portionenweise gefüllt haben. Heute stehen hier zwei grosse Silos, welche ein Lohnunternehmen in kurzer Zeit füllt.»


Kellers haben vor acht Jahren einen neuen offenen Laufstall gebaut, 50 Milchkühe mit Nachzucht leben darin. «Der neue Stall mit Melkstand bringt uns eine willkommene Arbeitserleichterung. Vor allem im Winter, wenn wir für Gemeinde und Kanton Schnee räumen und salzen, lässt sich die Stallarbeit besser organisieren. Neben der Betriebsarbeit erledigen wir Arbeiten für die Gemeinde und Private: Gewässerunterhalt, Pflege von Ökoflächen im Golfplatz.»


Neben einem Lernenden arbeitet zurzeit der ältere Sohn ebenfalls auf dem Betrieb und bereitet sich auf die Meisterprüfung vor. «Ich bin eigentlich nur noch erster Ersatz, vielseitig einsetzbar, aber bedauerlicherweise bleibt für mich manchmal kein Traktor mehr übrig», sagt Charlotte Keller lachend. Neben Milchwirtschaft ist der Ackerbau zweites Standbein auf dem Betrieb.

Der Bevölkerung angepasst

Kellers Betrieb liegt am Stadtrand von Dietikon, einer Vorortsstadt im Westen von Zürich. «Der Ausländeranteil bei uns ist sehr hoch – manchmal komme ich mir hier fremd vor. Andererseits gibt es unter diesen Leuten aus Osteuropa etliche, welche selber Käse zubereiten und bei uns kuhwarme Milch kaufen: 20, 30, ja bis zu 100 Liter werden da abgeholt. Für kleinere Mengen nutzen sie den Milchautomaten.» Auch die Äpfel aus den Obstanlagen werden von der Bevölkerung gerne gekauft: «Selbstbedienung mit Videoüberwachung!»


Die Hühnerhaltung hat Charlotte Keller professionell und nachhaltig auf die Nachfrage im Direktverkauf ausgerichtet. In zwei Herden legen 260 Hühner brav ihre Eier, bis sie im Kochtopf landen. Charlotte hat Kunden, welche nur darauf warten, ihre Suppenhühner abholen zu können. «Die Hühner werden tierschutzgerecht in die ewigen Jagdgründe befördert – die weitere Verarbeitung liegt bei den Kunden, Kreislaufwirtschaft statt Food Waste», betont die Bäuerin augenzwinkernd.


Belastende Vorschriften


Seit zwei Jahren hat Charlotte Keller eine eigene Kuh. Marilyn heisst die feingliedrige Jersey-Kuh mit den dunklen Augen, welche sie als dreimonatiges Kalb gekauft hat. Zur grossen Freude der Besitzerin soll die gut in die Herde Integrierte schon bald ihr erstes Kalb zur Welt bringen.

Die zweite Begeisterung für grosse Tiere betrifft Pferde. «Erich und ich haben uns beim Reitsport kennengelernt. Ich habe eigentlich schon immer an regionalen Springkonkurrenzen teilgenommen, nicht fanatisch – aber immer mit viel Herzblut.» Platz für ein Pferd gab es auch auf dem Betrieb, denn Kellers gehören auch zu den «Rösselern». Heute reitet sie etwa zehn Turniere im Jahr, hin und wieder auch ein Military. «Heute heissen das CC, Cross Country, bestehend aus Springen, Dressur und Cross», erklärt die Fachfrau.

Sie engagiert sich im Vorstand der Reitgesellschaft und in der Organisation der Pferdesporttage Dietikon. «Wir haben ein gutes Team. Die Herausforderung ist die Geldsuche, das Sponsoring. Wir arbeiten ehrenamtlich, sind ein gutes Team, brauchen aber immer mehr finanzielle Mittel für Bereiche, welche früher nicht zu Buche schlugen: Ein Tierarzt und ein Arzt müssen ständig vor Ort sein, das kostet! Viele Vorschriften und Reglemente, von kreativen Schreibtischtätern erfunden, belasten unsere Organisation immer mehr», bedauert sie.

Landfrauen und Gemeinderat

Das Engagement in der Landfrauenorganisation des Bezirks ist für sie selbstverständlich. Während der Jahre als Bezirkspräsidentin schätzte sie, dass sie in einer Kommissionen des Zürcher Bauernverbands Einsitz nehmen konnte und bedauert, dass dies heute nicht mehr der Fall ist. «Die Wertschätzung von uns Bäuerinnen in schönen Reden ist das eine. In Kommission sind wir lediglich Vertreterinnen unseres Verbands und noch nicht Bäuerinnen, Vertreterinnen eines partnerschaftlich geführten Betriebs», meint sie kritisch.


Charlotte Keller ist heute Mitglied des 36-köpfigen Gemeinderats, der Legislative, von Dietikon. Als Listenfüllerin, ohne grosse Ambitionen, habe sie bei den Wahlen den zweiten Ersatzplatz erreicht und konnte vor einem Jahr in den Rat nachrutschen. Sie habe dieses Amt eigentlich nicht gesucht. «Diese neue Aufgabe ist spannend und interessant, Geschäfte werden erklärbar, nachvollziehbar, wenn man die vielen Details kennt. Andererseits ist es ernüchternd zu sehen, wie viel Zeit investiert wird und wie wenig oder wie langsam sich die Dinge ändern.»

Margreth Rinderknecht