So richtig freuen, kann sich Sabina Scheuber nicht auf die Weihnachtszeit.

Zu schmerzlich ist der Tod ihres Vaters, auch nach zwei Jahren noch. Als er im September 2014, viel zu früh und unerwartet starb, schien die Welt für die

Familie einen kurzen Moment still zu stehen.

«Natürlich hat man sich vom Schock erholt, das Leben ging weiter», erzählt sie stockend. Doch jetzt, in der Adventszeit, komme die Traurigkeit oft zurück – an Weihnachten hätten sie wieder alle zusammen seinen Geburtstag gefeiert, den 73.


Vaters Rat, den Kopf nie in den Sand zu stecken, sondern vorwärts zu schauen und anzupacken, kam ihr in den vergangenen Monaten häufig in den Sinn, erzählt die 38-Jährige. Sie weiss, dass sie den klugen Ratschlag lange nicht so ernst nahm. Lange, viel zu lange, habe sie sich 
wie im Hamsterrad gedreht, ohne etwas ändern zu können.

Pferde waren ihr immer wichtiger


Sabina Scheuber wuchs in der Nachbargemeinde in einem Privathaushalt auf. Einen Landwirt zu heiraten war nicht unbedingt der Plan von Sabina Scheuber, viel eher wollte sie Karriere machen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Kauffrau, holte die Berufsmaturität nach und arbeitete mehr als sieben Jahre bei einer Versicherung.

Schon als junges Mädchen ist sie geritten, die eigenen Pferde waren ihr wichtig, deshalb ergab es sich auch nie, eine eigene Wohnung zu nehmen, die Pferde mussten versorgt werden. Später zog sie zu ihrem damaligen Freund und heutigen Ehemann auf den Hof.

Dieser hatte nach der Scheidung seiner Eltern den 37 Hektaren grossen Hof mit Milchwirtschaft und Ackerbau bereits als 24-Jähriger übernehmen müssen. Sie arbeitete als Kundenbetreuerin weiter, im 2003 bauten sie einen neuen Stall, in dem auch die Pferde Platz fanden, zwei Jahre später wurde geheiratet und alsdann wurden zuerst zwei Töchter und 2011 der Sohn geboren.


Im Gemeinderat


Es gab viel Arbeit und Sabina  Scheuber hätte sich öfters eine Arbeit ausser Haus gewünscht. «Haushalten und Putzen sind nicht so mein Ding», sagt sie. Sie meldete sich im Arenenberg an, besuchte Module für den Fachausweis zur Bäuerin und lernte viel Neues. Neue Kontakte und Herausforderungen taten ihr gut.

Gleichzeitig verzeichnete ihre Wohngemeinde eine Vakanz im Gemeinderat. Sabina Scheuber meldete sich und wurde gewählt. Sie betreut seither die Ressorts Öffentlichkeitsarbeit, Kultur, Freizeit und Sport und amtet gleichzeitig als Gemeinderatsschreiberin.

«Ich bin parteilos, doch könnte ich mich auch als grüne SVP-lerin bezeichnen», sagt sie und lacht. Die Arbeit mache ihr Spass, sie werde geschätzt und habe gelernt, auch mit Kritik umzugehen.


Im Kreis gedreht


Zu Hause auf dem Hof lief es harzig. «Seit die Milchpreise nur noch sanken, hatten wir kaum mehr ein gutes Jahr. Wir arbeiteten hart, hatten nie einen freien Tag, Ferien gab es nie, der Erlös blieb bescheiden – wir drehten uns im Kreis.» Wie weiter, war die zentrale Frage. Während ihr Mann einen radikalen Schnitt im Auge hatte, konnte sie sich schwer von allen Kühen auf einmal trennen.

Mutterkuhhaltung oder Aufzucht von Rindern wären Möglichkeiten gewesen.

Sie entschlossen sich, vermehrt auf Ackerbau zu setzen, das Wiesland als Heu oder als Siloballen zu verkaufen und dass sich der Mann eine Arbeit ausser Haus sucht.

Zehn Kühe geniessen nun auch den Lebensabend bei Scheubers, ohne gemolken zu werden. «Eine Art Altersheim für ausgemusterte Kühe», sagt Sabina Scheuber lachend. Ihr Mann habe schnell eine Arbeit auf dem Bau gefunden, die angespannte Situation begann sich zu bessern, die Lebensqualität stieg.

Kurze Zeit später wurde sie von ihrem früheren Arbeitgeber für eine temporäre Arbeit angefragt, sie nahm diese gerne an, organisierte ihren Familienalltag, krempelte vieles um und brachte ihren Mann dazu, im Haushalt mit anzupacken. Nun hat sie ihr Pensum auf 50 Prozent steigern können und ist überglücklich. «Endlich kann ich wieder das machen, was ich gut kann und was mir Spass macht», erzählt sie strahlend.


Seit dem vergangenen Sommer geht nun auch ihr Jüngster in den Kindergarten, die Töchter sind in der Schule und die Betreuung ist einfacher zu organisieren. Ihre Mutter, Kolleginnen und ihr Mann helfen mit, dass alles rund läuft, erzählt

sie. Auch eine Putzhilfe schaue regelmässig zum Rechten.


Selbst bestimmen


So weit so gut, könnte man meinen. Sabina Scheuber erzählt, dass die landwirtschaftliche Neuausrichtung, der Einstieg ins Berufsleben und die veränderten Engagements in der Kinder- und Haushaltsbetreuung einiges ausgelöst habe in der Partnerschaft.

Rollenbilder, die früher nie besprochen wurden, Verantwortlichkeiten, Rahmenbedingungen und schliesslich eine neue Lebensgestaltung, die überlegt werden will. «Wir müssen lernen, unser Leben neu zu konzipieren», sagt Sabina Scheuber.

Viel zu lange haben sie das Leben, das vor ihnen lag, abgerackert und immer nur das gemacht, was gemacht werden musste. «Künftig wollen wir bestimmen, wie wir leben wollen.»


Der Anfang liegt hinter ihnen. Lediglich erst das zweite Mal, seit sie Kinder haben, sind sie kürzlich als Paar ein Wochenende verreist, zum ersten Mal wird die Familie Skiferien verbringen und im nächsten Jahr wird Sabina Scheuber erstmals mit einem ihrer vier Pferde im Welschland ein Geländetraining besuchen.


Ruth Bossert