Auf dem Sitzplatz hinter dem schmucken Holzhaus von Hafners könnte man meinen, Brigitte Hafner sei ganz alleine auf der Welt. Nichts als saftige Wiesen und Felder. Und ein Rotmilan, der vom nahen Wald herfliegt und mit dem die Bäuerin Zwiegespräche führt.  


Vor dem Haus aber, auf dem Hof mit Milchkühen und Muttersauen geht es geschäftig zu und her. Im grossen Bauernhaus wohnt der Betriebsleiter und Sohn Stefan mit seiner Frau Annik. Diese Trennung zwischen Einsamkeit und Geschäftigkeit und zwischen den Generationen ist bewusst eingeplant.


Nie bereut


Vor 37 Jahren kam Brigitte Hafner als Stadtkind auf den Bergwaldhof in Schleitheim SH. «Es ist schon etwas anderes, einen Bauern zu heiraten», bekennt sie. Eine der ersten Fragen, die Christoph, ihr Mann, stellte, als sie sich kennenlernten, war, «kannst du dir vorstellen, Bäuerin auf einem Hof zu sein?» Schon als Kind pflegte sie Beziehungen zu einem Bauernhof am Stadtrand, und fing früh mit dem Reiten an. Das Pflegen des Pferdes und die Stallarbeiten waren eine Vorbereitung für das spätere Hofleben.

«Ich habe es nie bereut, hierher zu kommen», sagt die Bäuerin. «Es war für mich das absolute Beste.» Damals wurden noch viele Feldarbeiten von Hand gemacht – die Kartoffeln aufgelesen, die Rüben ausgerissen. Sie freut sich immer noch auf den Heuet, hantiert am liebsten mit dem Rechen. Wenn ihr Mann Stalldienst hat an den Wochenenden oder in Ferienzeiten hilft sie gerne mit. Die zwei Pferde wollen gepflegt und ausgeritten werden, was ihr eine tiefe Befriedigung bereitet.

Als Sohn Stefan vorhatte zu heiraten und den Betrieb übernahm, setzten sich Mutter und Sohn für das Stöckli ein. Jung und Alt sollten je ihr eigenes Reich haben. Brigitte Hafner selbst wohnte viele Jahre lang im gleichen Haus wie die

Schwiegereltern, musste durch deren Wohnung, um in die eigene zu gelangen. Das war nicht immer einfach, obwohl sie heute das Gute darin sehen kann, wie das herzliche Verhältnis ihrer Kinder 
zu den Grosseltern.  Die Spannungen aber, unter denen sie als junge Frau litt, wollte sie ihrer Schwiegertochter und sich selbst ersparen.


An Brustkrebs erkrankt


Im Liegenstuhl hinter dem Haus konnte sich Brigitte Hafner erholen, als sie sich vor anderthalb Jahren der Behandlung gegen Brustkrebs unterziehen musste. Krankheit und Schwachsein waren für sie nichts Neues. Schon als 16-jährige fing es mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber an. Diverse wiederkehrende Krankheiten, wie  Asthma, machten ihr immer wieder zu schaffen. Der Krebs war für sie aber eine neue Erfahrung. «Der Krebs ist unheimlich», sagt sie. «Du merkst nichts. Ich habe das Vertrauen zu meinem Körper verloren.» Heute geht es ihr viel besser. Das Leben empfindet sie als neu geschenkte Zeit.


Als junge Bäuerin mit drei kleinen Kindern war das viele Kranksein nicht einfach. «Die Schwiegermutter hatte immer viel mehr Power als ich», berichtet Brigitte Hafner, die sich immer ungenügend vorkam. Heute denkt sie, dass das schlechte Gewissen mehr von ihr aus kam als von der Schwiegermutter. Schliesslich war sie ja froh um deren Hilfe, wenn sie manchmal kaum noch imstande war, den eigenen Haushalt zu führen. Die Schwiegermutter ist jetzt im Altersheim, das Verhältnis schon seit vielen Jahren herzlich. «Wir hatten so viel Schönes miteinander.»


Füreinander beten


Die Krankheitszeiten hatten auch Gutes. «Du lernst mehr zu kämpfen», erklärt Brigitte Hafner. Schwachsein könne eine

Familie, die Ehepartner näher zusammenbringen.  Die Familienmitglieder müssen zusammenstehen und einander helfen. Viel geholfen habe in den schwierigeren Jahren das Wissen, dass die Schwiegereltern für sie gebetet hätten, wie auch sie für die Eltern beten würden. Die Eltern arbeiteten nicht gegen sie. Auch heute beten sie und ihr Mann für die Jungen, für Weisheit im Umgang miteinander . «Wenn man für jemanden betet, ist er nicht mehr so fremd.»


Die Familienmutter hatte immer ein offenes, volles Haus und es freut sie, dass die Jungen diese Tradition weiter führen. Ums Stöckli herum ist es stiller geworden, aber auf dem Sitzplatz ist stets Platz für Freunde und

Familie.

Marianne Stamm