Ich hatte bereits erzählt, dass sich vor Weihnachten die Rindviehdiebstähle häufen. Vor Ostern waren wir mit demselben Problem konfrontiert. Jaime wurde von der Polizei mehrmals gewarnt, dass in unserem Gebiet mehrere Banden unterwegs seien. Der Nachbarsfinca wurden vor Ostern dreimal Rinder gestohlen. Sicherlich brauchen die Leute vor Festtagen mehr Geld und das Fleisch lässt sich gut verkaufen. Aber bestimmt nutzen die Diebe es auch aus, dass die Besitzer in dieser Zeit wegen festlichen Aktivitäten häufig abwesend sind.

Allgemein haben aber dieses Jahr die Viehdiebstähle auch ausserhalb dieser Spitzenzeiten zugenommen. Wegen dem Regenmangel fehlen vielen Menschen die üblichen Einnahmen, wie z.B. die der Maisernte. Um diesen Ausfall zu ersetzen, bieten sich Rinder an, denn sie haben einen hohen Verkaufswert. Zum Beispiel ist der Wert einer Kuh so hoch wie etwa sechs Monatslöhne eines Arbeiters. Zudem begünstigt die Trockenzeit das Stehlen von Tieren, weil der harte Boden keine Spuren hinterlässt. Unglücklicherweise vermindert unser Personalwechsel und die Abwesenheit von Jaime die Sicherheit zusätzlich.

Bis jetzt sind wir aber immer noch verschont geblieben. Die Diebe wissen, dass Jaime regelmässig nachts die Herde bewacht und bewaffnet ist. Vielleicht haben sie auch Angst vor unseren Hunden. Jaime ist auch mit der hiesigen Bevölkerung gut vernetzt. Der vorherige Vorarbeiter meinte einmal zu mir:"Auf dieser Finca wird nicht gestohlen, Jaime hat zu viele Freunde". Sie würden ihn warnen, wenn irgendwo gestohlenen Kühe getrieben werden. Jaime misst diesem Vorteil jedoch nicht allzu viel Bedeutung zu. So war er vor Ostern fast jede Nacht unterwegs, manchmal mit unserem Vorarbeiter Omar. Er war in dieser Zeit sehr erschöpft, weil am Tag ebenfalls viele Arbeiten überwacht werden mussten.

Nun ist Jaime in der Schweiz. Die ganze Verantwortung liegt bei Omar. Er muss die regelmässigen Kontrollgänge weiter führen. Der Melker, der in San Dionisio wohnt, wird ihm dabei helfen müssen.

Mirka Lötscher