Alle Jahre wieder ist Ostern. Alle Jahre wieder sind die Supermärkte zum Bersten vollgestopft mit bemalten Ostereiern. Alle Jahre wieder glänzen die Geschäfte mit in Folie verpackter Schokolade. Und alle Jahre wieder wird diese Schoggi in Form von Häschen verschenkt wie verrückt. So verrückt und im Übermass, dass sie an Weihnachten – immer noch ungegessen, versteht sich – in den Wohnungen stehen. Wobei sie dann weggeschmissen werden, um dem Weihnachtsbaum Platz zu machen. Auch das: alle Jahre wieder. Ja, auch ich mag Schokolade. Wer nicht? Doch etwas jährlich Wiederkommendes stört mich: Das chronische Vergessen der wahren Bedeutung von Ostern. Deshalb hier eine kurze Auffrischung:

Die 40-tägige Fastenzeit beginnt mit dem Aschermittwoch und endet am Ostersonntag. Die Fastenzeit ist ursprünglich die Zeit der Besinnung und des Masses. Eine willkommene Zeit in Anbetracht unserer Wegwerfgesellschaft. In dieser Welt der Massenproduktion und Schnelllebigkeit. Nicht?

Ebenso bedeutet Ostern Freizeit. Darauf freuen sich die meisten. Verständlich. Was vergessen wird, ist die Bedeutung dieser freien Tage. Kürzlich hörte ich zwei Frauen im Zug über das kommende lange Wochenende reden, und da fragte die eine tatsächlich: «Ist dann eigentlich Auffahrt?» Ich hätte gerne geantwortet: «Klar, und Weihnachten dazu.»

Zurück zur Auffrischung: Am hohen Donnerstag, vor dem Karfreitag, erfuhr Jesus, dass er noch einen Tag zu leben hatte. In dieser Nacht schwitzte er vor Angst Blut. Heute besteht der Brauch noch immer, dass in Kirchen Wache gehalten wird. Ein schöner Brauch. Vielleicht besteht er aus schlechtem Gewissen. Denn als er seine Jünger in dieser Nacht um Wache bat, schliefen sie alle ein (Markusevangelium 14, 38-39). Nach Stunden seines Fürchtens und unserer Wache bricht der Karfreitag an. Alle Jahre wieder liest der Pfarrer die Passionsgeschichte vor. Spätestens beim Kuss des Judas regt sich das schlechte Gewissen wieder (Markusevangelium 14, 45). Vielleicht auch Unverständnis oder gar Wut: «Wie konnte Judas so was tun?» Man wird wütend auf dessen menschliche Schwäche – und fragt sich dann gleichzeitig: «Hätte ich an Judas Stelle anders gehandelt? Bin ich ebenso fähig zu verzeihen, wie Jesus Judas verzieh?»

Ebenso laufen alle Jahre wieder Passionsfilme im Fernsehen. Schauen will man sie nicht. Zu viel Blut. Zu viel Leid. Obwohl er starb, um unsere Sünden zu tilgen. Unsere Sünden. Nicht seine. Das schlechte Gewissen regt sich wieder. Er gab für uns sein Leben, und wir verleugnen ihn noch immer, wie es Petrus tat (Markuseveangelium 14,68-71) .

Und dann sehe ich Hoppelhasen mit Körbchen auf dem Rücken voller bunter Eier. Seit wann Hasen Eier legen ist mir ebenso schleierhaft, wie die Tatsache, dass Menschen Ostern lieber mit Schoggi im Bauch assoziieren als mit Jesu selbstloser Tat. Und: Der Vergleich von ihm am Kreuz mit dem Häschen löst bei mir nur Widerwillen aus. Obwohl auch ich das eine oder andere Schoggieili esse.

Wieso dieses Vergessen? Liegt es an der Säkularisierung unserer Gesellschaft? Oder dass die Kirche wegen gewisser Taten in Verruf geraten ist und sich die Menschen deshalb distanzieren? Oder weil die Rationalität den Glauben für manche zu irrational macht? Ostern als Zeit des Leidens erinnert mich an schwere Zeiten. Ob ich selber sie erlebte oder jemand aus meinem Umfeld: Im Moment des Schmerzes erschien er unendlich. Obwohl wir wissen: Alles geht vorbei. Vielleicht dachte auch Jesus so. Was ihm aber vor allem Kraft gab, war 
das Vertrauen zu seinem Vater. Dass der körperliche, weltliche Schmerz vorbeigehen würde und Gott schon alles richten würde.

Dieses Vertrauen wünsche ich jedem. Und denke dabei vor allem an Kinder und Jugendliche, denen der Weg zu Jesus und zum Vertrauen, so scheint mir, immer öfters verwehrt bleibt. Wegen unserer sich verändernden, sich von Gott entfernenden Gesellschaft. Wären wir es den Jungen jedoch nicht schuldig, die Möglichkeit zu erhalten, an Jesus zu glauben oder eben nicht? Wir vergessen als Erwachsene oft, dass das Erwachsenwerden nicht immer einfach war. Ich muss mich ebenso anstrengen, mich daran zu erinnern – und alt bin ich nicht. Aber was mir in Erinnerung geblieben ist, wird auch von Kindern und Jugendlichen bestätigt, die ich manchmal in der Jugendarbeit um mich habe. Für sie ist es lebensnotwendig, irgendwo dazuzugehören. Geliebt, akzeptiert und verstanden zu werden. In der Pubertät verändern sich Interessen, Ansichtsweisen. Man erfährt auf einmal Liebeskummer oder Gruppendruck. Mobbing vielleicht. Wird rebellisch, wenn die Eltern einem nicht genug Freiheiten geben, wie man es gerne hätte. Zu Hause streitet man mit den Eltern, weil sie einen nicht ernst nehmen. Die Wertschätzung sinkt. Das Gefühl des 
Alleinseins, der Sinnlosigkeit wurde mir schon oft von Jugendlichen in Gesprächen «gebeichtet». Das einzige, was sie bräuchten, ist: Halt. Liebe. Akzeptanz. Vergebung. Und da kommt Jesus ins Spiel: Er ist der Inbegriff dieser Werte. Wäre da das Vertrauen zu Gott, der Glaube an Jesus, der uns bedingungslos liebt, nicht wie Balsam für die Seele?

Wieso ich über Jugendliche spreche, obwohl es um Ostern gehen sollte? Weil wir ihnen den Weg zu Jesus nicht durch unseren Unglauben und krampfhafte, von der Gesellschaft vorangetriebene Verleugnung verwehren dürfen – hätten sie ihn doch bitter nötig. Weil man sich an Ostern an Jesus erinnern darf, als jemanden, der uns bedingungslos liebt, uns immer verzeiht und bereit war, für uns zu sterben.

Aber zurück zu etwas Lustigerem: Der Osterhase. Ich muss ihm sicherlich einen Punkt lassen. Freizeit bedeutet auch Familienzeit. Kinder freuen sich, dass die Eltern zu Hause sind. Sie freuen sich auf das gemeinsame Ostereiersuchen. Sie fühlen sich aufgehoben und beschützt. Vielleicht nervt der Kirchengang. Trotzdem ist er bei den meisten noch Tradition. Es mag daran liegen, dass in der Kirche mit all den anderen Familien, Paaren, Alleinstehenden, Pfarrpersonen das Gefühl der Zugehörigkeit aufkommt. Balsam für die Seele, nicht? Für Jung und Alt.

Tue ich dem Hoppel-
häschen Unrecht, ihm 
die Existenzberechtigung streitig zu machen? Kann sein. So habe ich nach seinem Werdegang gesucht. Dabei rausgekommen sind ein paar Thesen. Einerseits ist der Hase, der als erstes Tier im Frühjahr seine Jungen bekommt, ein Symbol für Fruchtbarkeit. Andererseits legt er keine Eier. Aber auch dieser Brauch scheint irgendwoher zu kommen. Das Ei sei in das Osterbrot gebacken worden, wobei ein Hasenbild das Brot schmückte. Ebenso ergeben der Hase und das Datum von Ostern Sinn: Ostern wird am ersten Sonntag des Frühlingsvollmondes gefeiert, wobei der Hase als Mondtier gilt.

Dann noch eine weitere mögliche Erklärung für die Verbindung vom Hasen mit Ostern: Das Dreihasenbild ist auf manchen Kirchen zu sehen. Darauf sind drei Hasen im Kreis abgebildet, wobei sich ihre Ohren berühren, jedoch nur je eines davon sichtbar ist. Und damit kommt die absolute Legitimierung seines Seins: Die Zahl drei, die Dreifaltigkeit. Ergibt für mich Sinn. Der Osterhase darf bleiben. Und wieder kommen. Alle Jahre wieder.     

Francesca Trento