Ich tippe die Telefonnummer von Joachims Katechetin ein. Nach kurzer Begrüssung teile ich ihr mit, dass Joachim leider krank ist und nicht am heutigen Unterricht teilnimmt. «Ach herrje!», ertönt es lebhaft aus dem Hörer, «sie sind aber auch eine geforderte Frau.»

Überrumpelt stottere ich, dass es beileibe nicht mehr so schlimm sei. «Untertreiben Sie nur nicht! Kranke Kinder sind nicht einfach wegzustecken», widerspricht sie. «Joachim hat mir von seinen vier Geschwistern erzählt. Die Hochrechnung erklärt alles. Und beruflich sind Sie ja auch eingespannt. Loben Sie sich eigentlich jeweils für Ihr Tageswerk?»

Es bleibt mir keine Zeit zu antworten. «Hab ich es mir doch gedacht. Die Frauen stellen sich doch seit Generationen unter den Scheffel. Das gehört dazu, liebe Frau Nussbaumer. Und zwar täglich! Das Üben beginnen Sie am besten gleich heute. Also, ich wünsche dem Patienten gute Besserung. Herzliche Grüsse!» Mir bleibt noch ein kurzer Moment um ein «Adieu» zu gackern, bevor die Leitung stumm ist.

Völlig perplex starre ich den Hörer in meiner Hand an. Das war für meine, nach durchwachten Nächten langsam tuckernden Gehirnzellen ein kleiner Worttornado.  Mit äusserst nachhaltiger Wirkung! Die gehörten Worte breiten sich über den Tag ungestört aus in mir drin. Denn die sonst so aufrührerischen, pessimistischen Gedanken sind wohl auch müde.

Damit ich mich einer inneren Reflexion vorerst bequemerweise entziehen kann, lasse ich meine Überlegungen in neutralem Rahmen tummeln. Ist dies wirklich nur bei Frauen so? Loben sich Frauen vielleicht nur im stillen Kämmerlein und weniger bei zusätzlich vorhandenen Ohren? Machen das Männer offener? Oder liegt es gar am genauen Zuhören?

Meine Gedanken purzeln unweigerlich immer wieder zu mir selbst. Ich gebe zu, eine klare Beurteilung ist für mich nicht umsetzbar. Mein «Gspüri» jedoch meldet, dass ich hier möglicherweise Defizite aufweise.

Ich erinnere mich an das Buch «Die Kunst sich wertzuschätzen» von Heinz-Peter Röhr. Die nachhaltigste Erkenntnis darin ist, dass der Autor die Anerkennung durch sich selbst höher einschätzt als das Lob von aussen. Anerkennung von anderen sei wie eine Droge, und es brauche immer eine grössere Dosis, obwohl nie der Punkt erreicht werde, an dem es gut sei. Anerkennung, die von aussen komme, mache einen zum Sklaven von gesetzten Erwartungen und Anforderungen. Echte Anerkennung, die es uns erlaube, diesem Teufelskreis zu entkommen, entspringe unserem Innern.


Es liegt auf der Hand: Das implizite Selbstbewusstsein will genährt werden, damit unsere Lebenszufriedenheit wachsen kann. Dazu gehört eben auch das eigene, gesprochene (An)Erkennen: Das habe ich doch gut gemacht. Auch beim versorgten Wäscheberg, vor den eben erst gefüllten Konfigläsern oder nach einer nötigen zusätzlichen Pause.


Eigenlob stinkt? Massvoll eingesetzt, verströmt Eigenlob doch den Duft von Freiheit und Abenteuer.  Macht uns diese innere Stärkung nicht offener, humorvoller, mutiger? Und gleichzeitig gelassener, gerade weil wir um unsere Fähigkeiten wissen und sie auch offen benennen?

Sabine Nussbaumer