Bitte keine Vorsätze fürs neue Jahr fassen! Über kurz oder lang – in der Regel das Erstere – lasse ich sie sowieso sausen. Und eigentlich sind Silvester und Neujahr Tage, wie jeder andere auch.


Beim Stöbern nach Weihnachtsgeschenken stosse ich auf ein kleines Buch: «100 Dinge, die Frau einmal im Leben getan haben sollte». Ich merke schnell, dass sich die Ratschläge an bedeutend jüngere Frauen richten. Was soll ich schon mit «probiere mit einer Freundin Brautkleider an» oder «angle dir einen Millionär» anfangen. Dafür ist es nun wirklich zu spät.

Anderes habe ich bereits hinter mir und kann getrost sagen, so weltbewegend war das allemal nicht, die Erde drehte sich für mich weiter auch ohne diese Erfahrung. Trotzdem lohnt es, sich Gedanken darüber zu machen, was man sicher noch einmal zu tun gedenkt und, und das ist der wichtigere Teil, den Plan auch in die Tat umzusetzen. Wer weiss, sich ein kleines Schwarzes zu kaufen, könnte nützlich sein, und mit «do it yourself!», liegt man selten falsch.

Ich gönne mir den Film «Ziemlich beste Freunde». Ein Franzose, reich, weiss, kultiviert, im Rollstuhl, der seine Launen an seinen Angestellten auslässt, stellt einen arbeitslosen, farbigen Immigranten mit krimineller Vergangenheit an. Dieser zeigt ihm die kleinen Freuden des Alltags, dass es Dinge zu geniessen gibt trotz Behinderung, dass man nicht nur träumt, sondern die Träume leben soll. Phillippe zeigt seinem Fahrer Driss im Gegenzug dazu den Zugang zu Musik, Literatur, Malerei und dem Gleitschirmfliegen.

Mein Bruder schenkt mir ein Konzert-Ticket; falls ich Lust hätte. Schon wieder weg, ist mein erster Gedanke. Und doch, Anastacia habe ich schon immer gern gehört und es ist sicher dreissig Jahre her, seit ich mir einen solchen Anlass zu Gemüte geführt habe (Ratschlag 15:«Fühle dich wieder wie 16», auch wenn es 22 war!). Wer weiss denn schon, wann sich wieder eine solche Gelegenheit bietet? Ich sage zu.

Und dann liege ich auf dem Schragen im Operationssaal und der Anästhesist meint: «Gell Frau Rutz, sie haben keine Angst!» Angst nein, würde ich gerne entgegnen, aber Respekt. Nur, die Narkose wirkt bereits und ich drifte ab. Dafür habe ich die zwei Tage nach der Operation genügend Zeit zum Nachdenken. Was wäre gewesen, wenn ich nicht mehr aufgewacht wäre? Was, wenn etwas schief gelaufen wäre, ich für immer in irgendeiner Weise geschädigt bliebe?

Es ist nichts schief gelaufen, ich bin wohlauf und sehr dankbar dafür. Die Daheimgebliebenen freuen sich über meine Heimkehr und dass ich mich gut erhole. Mich beschäftigt die Tatsache, dass noch vor etwa 100 Jahren meine Prognose den Abschied vom Leben bedeutet hätte. Aus die Maus, fertig! Noch nicht ganz zweiundfünfzig! Wie sind wir doch verwöhnt, betrachten so Vieles als selbstverständlich. Und gerade jetzt springt mich ein Spruch in einer Agenda an: «Glück ist, wenn die Katastrophe Pause macht.» Oh, wie wahr, und das war noch keine Katastrophe! Dieser Satz könnte sich gut und gerne zu meinem Motto mausern.

Ich bin geneigt, daran zu zweifeln, ob all die geschilderten Vorkommnisse nur Zufall waren. Vielleicht waren sie Fingerzeige, ich solle nicht warten mit dem Geniessen, dem Auskosten, dem Erkennen, wie flüchtig alles ist, der Erkenntnis, dass nichts super sein muss. Gut und normal genügt jederzeit.

Wie sagte doch gleich Sonny im Film «Best exotic Marigold Hotel»? «Am Ende ist alles gut, und wenn nicht alles gut ist, ist es nicht das Ende.»

Daniela Rutz