Anfang Jahr haben wir unser Lebenswerk unserem Sohn übergeben. Er hat eine Lehre als Elek­tromonteur und den Meisterlandwirt in der Tasche. Er ist also prädestiniert dafür, den grossen Hof erfolgreich weiterzuführen. Und was machen wir «Alten»?  Wir müssen raus, ist ja logisch. Dass wir in der Nähe ein Stöckli bauen bzw. ein Wohnrecht auf Lebenszeit abschliessen, kam für uns nie in Frage. Da sind die Konflikte vorprogrammiert, ich weiss, wovon ich rede   

Also mussten wir auf die Suche nach einer neuen Bleibe. Finanziell macht es Sinn, Eigentum zu erwerben, sagt unser Treuhänder. Nicht ganz so einfach in so einem kleinen Dorf wie dem unseren. Zwar waren zufällig zwei grosse Mehrfamilienhäuser geplant mit Eigentumswohnungen, aber… jesses! Der Blick fällt direkt auf die nächste Hauswand. Und die Pläne so einheitlich. Ein Flur, ein paar Türen rechts und links, von einer ordentlichen Küche kann schon gar nicht mehr die Rede sein. Diese modernen Zweizeiler-Tresen sind angesagt, total offenes Wohnambiente mit Riesenwohnzimmer, wo man 100 Gäste einladen kann, sich selber aber darin verliert. Ich altmodisches Mädchen träume doch seit jeher von einer Landhausküche!


Und mein Mann, der in seinem Leben zwei Häuser baute mit viel Licht und Blick in die Ferne? Unvorstellbar! Wir stürzten uns also auf die Baulandangebote. Heutzutage wird so verdichtet gebaut, dass man gerade mal noch ein winziges Stück Bauland irgendwo zwischen tausend anderen Häuschen unterschiedlichster Machart kaufen könnte. Sitzen wir auf dem winzigen Gartensitzplatz, könnte mir der Nachbar theoretisch auf den Cervelat spucken. Mehr als den könnten wir uns dann nach dem Bau ohnehin nicht mehr leisten bei diesen Grundstückpreisen. Die spinnen, die Schweizer!

Also kein Bauland. Was bleibt? Bestehende Häuser, die leer stehen. Nun bin ich ja ein äusserst kommunikativer Mensch, mit allen Leuten freundlich, und so frage ich immer und überall alle Menschen, ob sie keinen heissen Tipp hätten. Et voilà! Eine ältere Dame – die übrigens immer ganz begeistert von meinen Artikeln im «Schaffhauser Bauer» schwärmte – war ins Altersheim umgezogen und ihr altes Haus stand leer.

Langer Rede kurzer Sinn – nun sind wir stolze Besitzer von diesem alten Haus an schöner Lage, mit Aussicht, und die nächsten 1½ Jahre werden wir dazu verwenden, es in Eigenregie nach unseren Wünschen umzubauen und zu renovieren, und wir versuchen, den Charme der Geschichte von diesem Haus zu erhalten. Wir werden zeichnen und planen, abbrechen, den wunderschönen Holzboden unter dem Teppich wieder in neuem Glanz erstrahlen lassen, ich bekomme meine – zugegeben etwas kleiner ausfallende Landhaus­küche – die Bäder werden

modernisiert, und auf uns warten aufregende Monate. Ich freue mich! Und ich habe auch ziemlich Bammel davor. Fortsetzung folgt.

Claudia Gysel