Auslöser für die miese Stimmung in der Sortenorganisation Appenzeller Käse war die frohe Botschaft einer deutlichen Preiserhöhung. Sei letzten Oktober bekommen die Käser mehr für ihren Käse – doch die Milchproduzenten spüren wenig davon.

Das ist nicht nur bitter, sondern oft auch nicht vertragsgemäss. Denn die meisten Milchlieferverträge enthalten einen Verteilschlüssel, der genau definiert wie Preisveränderungen weiterzugeben sind. Gemäss diesem Schlüssel müssten die Bauern eigentlich vier bis fünf Rappen mehr pro Kilo Milch erhalten, die meisten haben aber nicht einmal drei Rappen mehr im Portemonnaie. Deshalb kommuniziert mancher Appenzeller Milchproduzent mit seinem Käser nur noch via Rechtsanwalt.

Streit wegen Infoschreiben
Angefacht wurde der Streit durch ein Infoschreiben der Genossenschaft Ostschweizer Milchverarbeiter (OMV), welches unter anderem der Käser Heinz Güntensperger unterschrieben hat. Darin steht: "Aus Sicht des (OMV-)Vorstands besteht keinerlei Anlass, den Preis bei Milch, welche zu Appenzeller Käse verarbeitet wird, um mehr als 2,85 Rp/kg zu erhöhen. Wer dies trotzdem macht, soll sich doch bitte nie mehr über steigende Kosten oder ungenügende Ertragslage beschweren."

Die Existenz der Verteilschlüssel wird darin nicht geleugnet: "Es trifft zu, dass bei früheren Preisveränderungen in der Regel nach einem gewissen Verteilschlüssel die Preise ausgehandelt wurden." Nur hätten bei dieser Preisrunde die Käser erstmals eine Margenverbesserung beantragt, und die sei auch genehmigt worden. In der Botschaft der Sortenorganisation stand das jedoch nicht.

Direktzahlungen statt Produktpreise
Wenn man Güntensperger fragt, wie er dazu kommt, eine solche Empfehlung zu verschicken, reagiert er gereizt: "Ich bin ja in der Geschäftsführung der Sortenorganisation, ich weiss schliesslich, was wir beschlossen haben. Der Antrag der Bauern auf dreissig Rappen Käsepreiserhöhung wurde angenommen und ein weiterer Antrag auf zehn Rappen zu Lasten der Marge der Sorte abgelehnt." Da man für ein Kilo Käse rund 9,5 Kilo Milch benötigt, ergeben 30 Rappen mehr beim Käse 2,85 Rappen mehr für jedes Kilo Milch. Nur wurde der Käsepreis nicht um 30, sondern um 50 Rappen erhöht. "Wenn die Bauern wollen, dass die Käser über kurz oder lang aufhören, dann sollen sie nur so weitermachen. Ich habe gerade ein Schreiben von einem Käser vor mir liegen, der genug hat."

Dass auch Milchlieferanten aufgeben könnten, zieht Güntensperger – er hat in den letzten Jahren mehrere Käsereien übernommen – nicht in Betracht: "Wenn ein Bauer eingeht, dann kommen doch gleich Hunderte, die weitermachen wollen!" Dann erzählt Güntensperger noch von Bauern, die sich nicht an die Kündigungsfrist hielten und kurzfristig informieren, dass sie keine Milch mehr liefern. Und davon, dass die Bauern "immer mehr Subventionen erhalten", was ja auch der Grund für den Verteilschlüssel gewesen sei. Auf das Argument, dass die Raufutterverzehrerbeiträge letztes Jahr gesenkt, und ab diesem Jahr ganz gestrichen wurden, geht er dagegen nicht ein.

Käsereimilchpreise kaum noch konkurrenzfähig
David Vincze, der Direktor der Sortenorganisation Appenzeller Käse, versucht sich rauszuhalten: "Die Sortenorganisation legt keine Milchpreise fest und auch nicht, wie die Milchpreise zu berechnen sind. Das ist einzig und allein Sache der Käser." Was die Sorte den Käsern zahle, sei zudem eine interne Angelegenheit. "Wir haben festgelegt, dass der Käsepreis im Detailhandel um 70 Rappen pro Kilo steigt und nicht, wie fälschlicherweise berichtet, beim Käser."

Preis für Silomilch ist attraktiv
Im Gegensatz zu Güntensperger hat Vincze Verständnis für das Anliegen der Bauern: "Uns sind einige Milchproduzenten abgesprungen, weil sie bei diesem Preis nicht mehr in der Lage waren, die Milch in der von uns geforderten Qualität zu liefern. Der Preis für Silomilch ist seit längerem ausgesprochen attraktiv." Und die meisten Milchlieferanten könnten mit einer Silagefütterung nicht nur günstiger, sondern auch mehr Milch produzieren. Vincze warnt zudem davor, zu glauben, die Preiserhöhung sei für ewig: "Wir wissen noch nicht, ob der Markt den Aufschlag schluckt. Das entscheiden einzig und allein die Konsumenten." Sollte der Absatz einbrechen, müssten die Preise eventuell wieder gesenkt werden.

Verteilschlüssel spart Verhandlungen
Möglicherweise erinnern sich dann manche Käser wieder an den Verteilschlüssel. Denn so hat das Ganze ja auch angefangen. Paul Böhi, der Vizepräsident der Sortensektion Appenzeller Milchproduzenten, erzählt: "Als es im Januar 2008 eine Preiserhöhung gab, einigte man sich darauf, die Preiserhöhung im Verhältnis 80 zu 20 weiterzugeben." Die Milchproduzenten bekamen also 80% vom Aufschlag, die Käser 20%.

"Dann kam im April 2009 eine Preissenkung und die Appenzeller Käser stellten sich auf den Standpunkt das Verhältnis von 80 zu 20 sei für sie ganz und gar unmöglich, sie könnten höchstens zehn Prozent übernehmen.

"Die Milchproduzenten boten Hand dazu – unter der Bedingung, dass dieser Verteilschlüssel langfristig in den Verträgen festgeschrieben wird. Das wollten die Vertreter der Käser aber nicht, weshalb die meisten Käsereien damals individuelle Lösungen ausarbeiteten.

"Das Spektrum reicht von 80 zu 20 bis zu 100 zu 0", sagt Böhi, "das hängt auch davon ab, ob Veränderungen beim Rahmpreis berücksichtigt werden oder nicht." Damit wurden Milchpreisverhandlungen überflüssig.

Eine Käsepreissenkung um 15 Rappen im September 2011 wurde ebenso diskussionslos gemäss Schlüssel verteilt wie eine Erhöhung um 15 Rappen im Jahr darauf. Doch dieses Mal haben sich nur wenige Käsereien an den partnerschaftlich ausgehandelten Verteilschlüssel gehalten.

Emmis Käserei zahlt mehr
Eine davon ist die Schaukäserei in Stein, die der Milchkonzern Emmi gepachtet hat. Tatsächlich bestätigt Fredi Müller, der Präsident der dortigen Milchlieferanten, dass er eine Preiserhöhung von 4,75 Rappen bekommen hat. Auch, dass die Preiserhöhung rückwirkend auf den 1. Oktober bezahlt wird, kann man ihm noch entlocken. Mehr nicht. Ob die Preiserhöhung mit oder ohne Anwalt durchgesetzt werden konnte, spiele doch keine Rolle und überhaupt wolle er mit solchen Diskussionen nicht an die Öffentlichkeit. Müller sieht sich als Teil einer Wertschöpfungskette, in der alle aufeinander angewiesen sind. Andere tun das offenbar nicht.

Eveline Dudda, LID