«Angriff!», heult mein Jüngster in seiner grössten Lautstärke und stürmt mit gezücktem Schwert vom Garten quer durch die Küche und zur Haustüre hinaus. Zwei weitere Buben hetzen hinterher. Kopfschüttelnd rühre ich weiter in der Quittenpäschtlimasse. 

Schlachtgeheul dringt nun von der Strasse durch die offene Haustüre. «Du bisch tot!» «Nei, ich han dir zerscht de Chopf abgschlage!» Da trampeln etliche Füsse die Treppe herunter vom ersten Stock. «Schnäll, mir müend en Überraschigsagriff mache, suscht verlüred mer die beschte Ritter!»

Die Lausbuben, denke ich, haben doch glatt vorgängig die Badezimmertür geöffnet, damit sie ungesehen durch die Scheune über den Balkon ins Haus gelangen können. Gottlob sass nicht eine meiner Töchter auf dem Klo. Sie hätten den neun Giele einen eigenen Marsch geblasen und garantiert das Kriegsgeschehen aufgemischt.  


Draussen ertönen dumpfe Schläge, Klirren, Geschrei und tobendes Brüllen (meist von Jonatas, insbesondere wenn er verliert). Ergänzt mit gewöhnungsbedürftiger Wortwahl. Drei behelmte Krieger spurten nun halsbrecherisch zurück in den Garten (natürlich durch die Küche). Bepackt mit Holzbeil, Steinschleuder (gottlob mit ausgeleiertem Gummi) und umfunktionierten Stecken aus dem Wald – sie sind nun Raketenwerfer.

Ich rühre noch immer in meiner Pfanne. Aus dem Küchenfenster sehe ich, wie die Fliehenden mit Maisgeschossen (Bubenmütter wissen wie das geht: Am einen Ende einer Kartonröhre einen Ballon überstülpen und mit Klebeband umwickeln, Maiskorn rein, Ballon­ende ziehen und spicken lassen – piesackt wirklich) bombardiert werden. Zeternd suchen sie Zuflucht in ihrer Burg.


Da schleppen die Jüngsten einen Verletzten in die Küche. «Sis Bei isch abbroche», erklärt mir Jonatas sachlich. «Chasch du das verbinde?». Ich schiebe meinen Topf zur Seite und mache mit grosszügig eingesetztem Verbandsmaterial den vermeintlich abgebrochenen Unterschenkel wieder am Oberschenkel fest. Scheint zu klappen. Der Patient kann auf jeden Fall wieder humpeln.

Dann häufen sich die echten Verletzungen. Pflaster und tröstende Worte sind gefragt. Mein Zeichen, dass eine Zvierizyt allen die willkommene Kampfpause ermöglicht ohne Verliererstatus. Sie sehen mitgenommen aus. Verschwitzt, verschmutzt, verstrublet. Doch in diesem Moment herrscht einhelliger Frieden. Sie erzählen sich die besten, erlebten Kampfmomente. In wunderbar imitierter Männerpose. Untermalt mit wichtig erscheinender, tiefer gestellten, Stimme. Ausnahmslos alle. Auch die Kindergärtner piepsen nicht mehr.


Ich gestehe, ich bin nicht mehr fassungslos. Denn ich bin Mutter von drei Söhnen. Vor allem die beiden Jüngeren sind kampf-erprobt. Die zahllos ausgefochtenen Gefechte übersteigen zwar mein Verständnis. Ebenso ihre 
Fähigkeit, aus allem eine Waffe zu produzieren. Doch alle Ablenkungsmanöver sind weitgehend gescheitert.


Erleichtert stelle ich fest, dass da auch andere Mütter ihre taktischen Feldzüge angepasst haben. Kapitulation zugunsten Erhaltung eigener Kraftreserven. So ziehen wir halt in Dickbuch eine Truppe fähiger Krieger auf. Das wird zumindest Ueli Maurer freuen.

Sabine Nussbaumer