Sie kennen sicher dieses Gänsehautgefühl aus eigener Erfahrung. Ausgelöst wird dieses oft durch eine ergreifende Szene oder einen sehr emotionalen Moment im Leben von uns Menschen. Solche besonderen Augenblicke erlebte ich in den letzten Wochen.

Da stehe ich am Strassenrand und warte. Warte mit vielen, vielen anderen Menschen auf die Ankunft der Bauernfamilien, Älpler und Älplerinnen, die mit ihren Kühen, Geissen und Schafen von den Alpen herunter ins Tal kommen. In der Ferne höre ich Glockengeläut. Ein untrügliches Zeichen, dass eine Sente auf dem Weg ins Dorf ist.

Die Hälse der wartenden Menschenmenge werden immer länger, die Besucher des Alpabzugs versuchen, einen ersten Blick auf das Vieh und seine Hirten zu erhaschen. Da, endlich tauchen die Männer und Frauen mit ihrem herrlich geschmückten Vieh auf. Das Geläut der Kuhglocken schwillt an    Ich bekomme eine Gänsehaut vor lauter freudiger Erregung! Das ist für mich Heimat pur!


Mensch und Tier schreiten an der klatschenden und jubelnden Menschenmenge vorbei – sichtlich stolz und zufrieden. Sicher sind sie auch glücklich und dankbar, wieder gesund im Tal zu sein. Jedes Mal, wenn eine weitere Sente ins Tal kommt, passiert es mir wieder, dieses Gänsehautgefühl.

Was für einen turbulenten und schwierigen Sommer mussten die Älpler und ihre Familien dieses Jahr bewältigen. Hut ab vor ihrem Durchhaltewillen, ihrem unermüdlichen und unerschütterlichen Einsatz für das Wohl ihrer Tiere und die Pflege und Erhaltung der Schweizer Alpen. Ein riesengrosses Dankeschön und grösste Wertschätzung schicke ich euch allen von uns Talbauern. Eine Schweiz ohne euch und eurem Vieh, mit Kuhglocken natürlich , wäre keine Schweiz mehr.


Anfang September war ich zu Besuch in einem Wöchnerinnenzimmer. In meinen Armen durfte ich ein ganz besonderes Geschenk halten: unser viertes Grosskind. Welch ein freudiges und glückliches Ereignis! Herzlich willkommen kleiner Jonas! Mein Herz überläuft immer wieder von Neuem aus Liebe zu diesem kleinen Menschlein und eine grenzenlose Dankbarkeit durchströmt mein Herz. Lieber Gott, danke, dass es Mutter und Kind so gut geht. Ich bitte dich, beschütze und begleite segnend das Leben des Kindes und seiner Familie.


Das bekannte Jodellied «Dankbarkeit» ertönt in der Kirche, und es geht mir so sehr zu Herzen und unter die Haut. Tränen der Wehmut, der Trauer und des tiefen Mitgefühls mit der Frau des lieben Verstorbenen und seiner Familie rinnen mir übers Gesicht. Lieber Andres, du wurdest so unverhofft und überraschend heimgeholt. Mögest du in Frieden ruhen. Bitte schick du deinen Lieben einen Engel, der ihnen ein tröstendes Licht anzündet und mit ihnen die Fragen und den Schmerz des Abschieds aushält.


So nah sind Freud und Leid im Leben. Geburt und Tod können wir nicht bestimmen. Doch an die Worte von Phil Bosmans können wir uns halten: «Mensch, du bist geschaffen nach dem Bild eines Gottes, der Liebe ist. Mit Händen, um zu geben, mit einem Herzen, um zu lieben, und mit zwei Armen, die sind gerade so lang, um einen anderen zu umarmen.»

Annelis Häcki