Grau, trüb, kalt, dunkel und neblig. Das sind die Attribute, die dem Monat November am häufigsten nachgesagt werden. Das muss zum Glück nicht immer und ausschliesslich so sein. Für mich hat der November auch ganz viele positive Seiten. Die langen Abende laden zu Mussestunden bei einem wohltuendem Kräutertee, Kerzenlicht und Gemütlichkeit ein. Lesen, Handarbeiten, einen schönen Film schauen, mit dem Liebsten kuscheln… einfach Zeit füreinander haben und sich Zeit schenken.

Der November hat auch seine ganz eigenen Düfte. Draussen riecht es nach feuchter Erde und moderndem Laub. Steige ich in den Keller hinunter, umfängt mich der unverwechselbare, herrliche Duft von reifen Äpfeln.

Dieser Duft erinnert mich stets an meine Kindertage: Unsere Mutter hat uns nicht erlaubt, von den Äpfeln auf der obersten Hurde im Keller zu nehmen, die seien für den Winter. Die von der unteren Hurde seien zuerst fürs Essen bestimmt. Trotz dieser Anweisung bin ich als ganz kleines Mädchen auf die oberste Hurde geklettert und habe von diesen so fein duftenden Äpfeln genascht. Dieser Apfelduft war einfach unwiderstehlich für mich.

Haben Sie auch spezielle Düfte, die Sie sofort mit gewissen Erinnerungen verbinden? Gemäss einer Studie wecken Düfte unsere Erinnerungen sogar stärker als andere Sinneseindrücke. Ich habe auch nicht gewusst, dass ein Embryo alle Düfte der Mutter wahrnimmt. Er riecht mit der Mutter und nimmt auch wahr, was sie isst, denn ab der 26. Schwangerschaftswoche ist sein Geruchssinn vollständig ausgebildet.

Da kommt mir noch ein weiterer Duft aus meinen Kindertagen in den Sinn: Auf Drahtgestellen dörrte meine Mutter im Spätherbst jeweils Birnen im Ofenloch des grossen Kachelofens. Unvergleichbar, dieser Duft! Da fühle ich mich gleich zurückversetzt in die Zeit, als ich von der Schule heimkehrte, mich an den Stubentisch gesetzt habe, um meine Hausaufgaben zu machen.

Im November haben auch feine Gewürze wieder vermehrt ihren Auftritt. Zimt, Anis und Nelken betören mit ihren feinen Düften unsere Sinne. Lebkuchen, frisch aus dem Ofen, ist für mich ganz klar mit dem November verbunden. Sieben verschiedene Gewürze findet man im Lebkuchengewürz: Zimt, Nelken, Piment (Nelkenpfeffer), Muskat, Koriander, Kardamon und Ingwer zaubern diesen unvergleichlichen und vorweihnachtlichen Duft in unsere Häuser. Tannäste und mit Nelken bestückte Orangen vergrössern das Dufterlebnis um weitere Nuancen. Einfach herrlich!

Im Kirchenjahr gilt der November als ein Monat der Besinnung und des Gedenkens. An den Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen denken wir an die Heiligen und an unsere lieben Verstorbenen. Wir besuchen ihre Gräber und zünden für sie Kerzen an. Das Novemberwetter passt zum besinnlichen Gedenkfest für unsere Verstorbenen und zu unserer Endlichkeit: Die Bäume verlieren ihr Laub, Nebel schleicht um die Häuser. Unsere eigene Vergänglichkeit begegnet uns jedes Mal, wenn wir aus dem Fenster schauen.

Da passt ein Zitat von Phil Bosmans wunderbar für die kommende Zeit: «Weniger konsumieren, mehr lieben. Weniger schlucken, mehr schmecken. Weniger verschlingen, mehr geniessen. Mit weniger mehr Mensch sein.»

Annelis Häcki