Der kleine Marian kuschelt mit Grossätti Robert Huber in dessen Lieblingssessel. Die sechsjährige Flurina malt mit Grossmutter Margrith Vogelsanger im Wintergarten. Idyllische Bilder der Beziehung Grosseltern-Enkel. Grosseltern leisten einen enormen Dienst, wenn es um die Betreuung von Kindern geht. Meistens überwiegt die Freude.  Diese Aufgabe birgt aber auch Konfliktpotenzial.

Unterschiedliche Ansichten

Die Beziehung zu den ersten drei Enkeln gestaltet sich eher schwierig für Margrith und Hans Vogelsanger, Beggingen SH. Durch die Heirat mit einem Muslim konvertierte die Tochter zum Islam. Die Familie wohnt im Kanton Waadt. Die Enkel reden nur Französisch, welches Margrith gut spricht, Hans dafür fast kaum.

Am meisten Mühe bereiten den Grosseltern die Speisevorschriften der Tochter. Kommen die Enkelkinder in die Ferien, darf absolut kein Fleisch auf den Tisch kommen.  Einmal hatte Margrith Vogelsanger genug. Sie kochte ein Poulet, welches die Kinder genossen. «Wenn du das nochmal machst, dürfen die Kinder nicht mehr zu dir», insistierte die Tochter. Die Beziehung zu den Enkelkindern war Vogelsangers dann doch wichtiger. Die Sprachbarriere macht dem Grossvater zu schaffen. «Mit diesen Kindern kann man ja gar kein Verhältnis haben», sagt er. Zu seiner grossen Enttäuschung freut sich der Enkel nicht mal, mit auf den Traktor zu kommen. Er sitzt lieber hinter dem Bildschirm. Immer noch kommt die Waadtländer Familie zweimal im Jahr ein paar Tage nach Beggingen. «Zum Glück wohnen wir so weit auseinander, dann können wir die Spannungen aushalten», sagt Margrith.

Offen miteinander über Bedürfnisse und Wünsche sprechen

So ist es für die Vogelsangers ein riesiges Geschenk, ein herzliches Verhältnis zu den nur 300 Meter entfernten zwei Enkeln und derer Eltern zu haben. «Wir wussten gar nicht, dass es so schön sein kann», schwärmt die Grossmutter. Sie wollte der Schwiegertochter ermöglichen, weiterhin berufstätig zu sein. Ein Tag pro Woche, höchstens aber zwei und diese nicht zusammenhängend, würde sie gerne die Enkelkinder hüten. Sie selbst ist noch viel unterwegs, betreut familieneigene Immobilien am Zürichsee, und liebt ihre Freiheit. Hans ist viel auf dem Bauernbetrieb tätig.  Die Grosseltern geniessen den Montag als ‘Hüetitag’. So kann die Schwiegertochter in Ruhe das Betriebsbüro betreuen. Zwischendurch ist sie auch mal froh, wenn die Grosseltern die Kinder nehmen. «Wenn ich zuhause bin, mache ich das gerne», so Margrith Vogelsanger. Dass man so offen miteinander sprechen kann über seine Bedürfnisse und Wünsche ist für die Vogelsangers eine grosse Wohltat.

 

Arbeit von Grosseltern in Zahlen

Gemäss dem Bundesamt für Statistik 2018 werden...

  • 64 Prozent der Kinder unter 13 Jahren werden in der Schweiz Familienergänzend betreut, ein Drittel davon von den Grosseltern.
  • 40 Prozent der unter 4-jährigen werden in einer gewöhnlichen Woche von den Grosseltern betreut, bei den vier bis zwölf-jährigen sind es 29 Prozent.

Die unbezahlte Kinderbetreuungsleistung wird auf 160 Millionen Stunden und einen «fiktiven» Geldwert von 8 Milliarden Franken pro Jahr geschätzt.

Kein regelmässiges Hüten

Als ihre älteste Tochter das erste Kind bekam waren Karin und Robert Huber, ebenfalls aus Beggingen, gerade 43, respektiv 44 Jahre alt. Die Mutter von acht Kindern freute sich, arbeitete aber an ihrer Maturarbeit und hatte noch Teenies sowie eine sieben jährige Tochter zuhause. «Ich werde deine Kinder nicht regelmässig hüten», machte sie der Tochter klar. Robert war viel unterwegs mit seinem Gartenbaugeschäft oder in seiner Künstlerwerkstatt. «Mich hat niemand gefragt, ob ich Grossvater werden will», sagt er. Dabei liebt er jedes seiner sieben Grosskinder und freut sich, wenn sie sich bei ihm auf dem Schosse einkuscheln oder etwas mit ihm unternehmen. Wenn Not am Mann ist, ist er sofort zur Stelle. Aber regelmässig hüten? «Dafür liebe ich meine Freiheit zu sehr!» sagt der heute 60-jährige.

Die jungen Eltern unterstützen

Vor einem Jahr zog die zweite Tochter mit Mann und drei Buben, heute 1, 5 und 9 Jahre, in den oberen Stock der Hubers. Die zwei Familien teilen den Hauseingang, die Wohnungen sind abgetrennt.  Robert und Karin Huber freuen sich, das jungen Paar unterstützen zu können. Ein regelmässiges Hüten ist (noch) nicht nötig, da die Tochter zu Hause ist. Nicht immer ist alles heile Harmonie. Mutter und Tochter haben verschiedene Auffassungen von Ordnung.

Fährt Grossmutter Karin nach einem langen Arbeitstag vors Haus und ihr Parkplatz ist mit Kindervelos verstellt, macht sie das hässig. Ihr ist es wichtig, klare Abmachungen und Abgrenzungen zu halten. «Wenn ich ein Problem mit meiner Tochter habe, spreche ich mit ihr, nicht hinter ihrem Rücken.» Nicht immer sind die Grosseltern einverstanden mit der Erziehung der Enkel. Manchmal sprechen sie mit den Eltern, meistens ist Schweigen angesagt. «Für mich ist es mega schwierig, mich nicht einzumischen», sagt Karin Huber.

«Ich bin eigentlich stolz auf meine Tochter, wie sie das macht», macht Robert Huber klar. Sprechen die Zwei von ihren Grosskindern, strahlen sie beide.

 

Nachgefragt: «Erziehung ist Sache der Eltern»

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Marianne Stamm hat bei Vreni Peter, Beraterin und Coach Betrieb und Familie - Generationenwechsel, Soziales am Bildungs- und Beratungszentrum Arenenber TG, nachgefragt, was das gute Verhältnis zwischen Eltern und Grosseltern ausmacht.

Was sind die häufigsten Konfliktpunkte, wenn Grosseltern Enkel hüten?

Verena Peter: Die Erziehung der Enkel, was gilt für ein Erziehungsstil, welche Regeln sind wichtig?

  • Schlafenszeiten am Nachmittag, Bettzeiten am Abend
  • Ernährung (vor allem Süssigkeiten)
  • Umgang mit elektronischen Medien: wie viel Zeit dürfen die Enkel vor dem Fernseher, vor dem Tablet oder dem Smartphone verbringen?

Wie könnten diese vermieden, gelöst oder zumindest vermindert werden?

Die Erziehung ist Sache der Eltern und nicht der Grosseltern. Wichtige Eckpunkte sollten festgelegt und im Voraus miteinander besprochen werden.
Grosseltern dürfen durchaus etwas mehr erlauben oder die Enkel verwöhnen. Kinder können sehr gut unterscheiden zwischen dem Haushalt der Grosseltern und der Eltern. Empfehlenswert ist ein regelmässiger Austausch zwischen den Generationen: was gut läuft oder allenfalls stört, wobei die Wertschätzung und ein Dankeschön Ausdruck finden kann.