Die Leistung eines Tieres wird zum einen durch Umweltfaktoren wie Fütterung, Haltung, Betriebsstandort etc. beeinflusst und zum anderen durch das Erbgut. Welcher Anteil genetisch bedingt ist, ist von Merkmal zu Merkmal unterschiedlich. Bei Merkmalen, die vermehrt vom Erbgut beeinflusst werden, ist die Schätzung vom Zuchtwert einfacher und genauer. Dadurch sind diese Merkmale züchterisch einfacher zu verbessern. Gesundheit, Fruchtbarkeit und Nutzungsdauer sind Merkmale die stark von der Umwelt beeinflusst werden, weshalb züchterisch nur kleine Fortschritte zu erreichen sind.

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Zuchtziele definieren

Betriebsleiter(innen) definieren für ihre Herde Zuchtziele (siehe Tabelle als fiktives Beispiel. Dazu hat man die ideale Kuh, die zum Betrieb passt, immer vor Augen. Zuchtziele sollten so ausgelegt werden, dass diese erreichbar und realistisch sind. Zuchtziele, die unerreichbar sind, weil es die Rasse oder die Futtergrundlage nicht erlauben, lassen die Freuden an der Zuchtarbeit rasch sinken. Es sollten fünf bis sechs, maximal acht Ziele definiert werden. Je mehr Ziele definiert werden, desto mehr Kompromisse müssen bei der Selektion von Zuchttieren eingegangen werden. Zudem dauert es länger, die definierten Ziele zu erreichen. 

Mögliche Zuchtzielsetzung und Auswertung

MerkmalZuchtzielDurchschnitt HerdeIST-Zustand der HerdeSelektionsgrenze Zuchtwert Stiere
Milchleistung8000 kg7200 kg+11 kgmind. +800 kg
Milcheiweissgehalt3,4 %3,2 %–0,01 %mind. +0,1 %
Laktationspersistenz85 %84 %99*mind. 100
Zellzahl (ZZ)< 100'000 ZZ/ml130'000 ZZ/ml92*mind. 110
Fruchtbarkeit-Besamungsindex< 1,9 Besamungen2,1 Besamungen90*mind. 110

*Indexzuchtwert

Ein fiktives Beispiel: Bei Milcheiweissgehalt und Laktationspersistenz liegt die Herde leicht unter dem Rassen-Durchschnitt der 6–8-jährigen Kühe. Bei der Zellzahl und Fruchtbarkeit ist die Herde nahe an der Grenze zu «Unterdurchschnittlich». (Quelle Astrid Lussi)

Stiere verbessern Schwäche 

ViehzuchtStiere erstmals mit dem Zuchtwert Ketoseresistenz publiziertFreitag, 29. April 2022 Bevor die Stiere aufgrund des Zuchtziels ausgesucht werden, wird die Herde analysiert. Dazu können die Betriebsstatistiken und Zuchtwertschätzung von den Zuchtverbänden genutzt werden. Werden selbst erfasste Daten genutzt, muss bedacht werden, dass auch die Umwelteinflüsse enthalten sind. 

Mit dem Herdendurchschnitt und den definierten Zuchtzielen müssen nun Stiere ausgewählt werden, die die Schwäche der Herde verbessern und zur Erreichung der Zuchtziele beitragen. Für eine Herde von 30 Kühen empfiehlt es sich, drei bis vier Stiere auszuwählen. 

Kühe verbessernd anpaaren

Die Kühe werden in Zucht- und Nutzkühe unterteilt. Dazu wird erörtert, wie viele Nachzuchttiere pro Jahr benötigt werden. Werden die Kühe mit gesextem Sperma belegt, bräuchte es 5 bis 10 % mehr Zuchtkühe zur gezielten Anpaarung – gemessen an der jährlichen Nachzucht, die es zur Remontierung des Viehbestandes braucht. Wird kein gesextes Sperma eingesetzt, müssen doppelt so viel Zuchtkühe wie benötigte Nachzuchttiere ausgewählt werden. 

Danach werden die Zuchtwerte und Leistungen von den Kühen bewertet. Sind bestimmte Merkmale für den Betriebsleiter sehr wichtig, können diese mit zusätzlicher Gewichtung unterstützt werden. Die besten Kühe werden für die Zucht verwendet, die Nutzkühe mit Mastrassenstieren angepaart. Wenn die Zuchtkühe ausgewählt sind, werden die zwei bis drei grössten Schwächen jeder Kuh erörtert. Die Anpaarung erfolgt mit einem Stier, der diese Schwächen verbessert. Dabei muss zwingend darauf geachtet werden, dass keine verwandten Tiere in den ersten drei Generationen vorhanden sind, damit keine Inzucht entsteht. 

Verlangt Interesse an Tieren

Die Zuchtarbeit ist zeitintensiv und verlangt Interesse an den Tieren. Die Zuchtstiere und -kühe werden jährlich neu ausgewählt. Alle drei bis vier Monate müssen die anstehenden Besamungen geplant werden. 

Wird erst zehn Minuten vor dem Zufahren des Besamers im Angebotskatalog geblättert oder sogar der Besamer gefragt, welcher Stier eingesetzt werden soll, dann sollte man besser einen Mastrassenstier einsetzen. Denn der Besamer kennt das verfolgte Zuchtziel sowie die Schwächen der zu belegenden Kuh nicht.

Mit dem Zuchtziel arbeitet man sich zur idealen Kuh hin und das dauert viele Jahre.

Zuchtwerte lesen 
Die Grundlage der Zuchtarbeit basiert auf dem Zuchtwert. Der Zuchtwert ist eine Schätzung des genetischen Potenzials eines Tieres. Je mehr Daten eines Tieres und seiner Verwandten vorhanden sind, desto genauer kann das erbliche Leistungspotenzial von diesem geschätzt werden. 

Die Zuchtwerte werden als Indexzuchtwerte oder als Naturalzuchtwerte dargestellt. Bei den Indexzuchtwerten liegt der Durchschnitt der Population je nach Darstellungsweise bei 100 oder 1000. Bei einem Indexzuchtwert von über 110 wird das erbliche Leistungspotenzial als überdurchschnittlich bewertet. Bei den Naturalzuchtwerten liegt der Durchschnitt bei 0.

Wann das erbliche Leistungspotenzial von einem Tier bei den Naturalzuchtwerten überdurchschnittlich ist, ist rassenspezifisch und kann beim Herdebuch angefragt werden. Die Basis für den Durchschnitt der meisten Zuchtwerte sind die 6–8-jährigen Kühen von einer Rasse, in einem definierten Land. Die Anpassung erfolgt jährlich jeweils im April.