«Wir konnten zeigen, dass teilflächenspezifisches Düngen auch in der kleinstrukturierten Schweiz einen Mehrwert bietet», freut sich Benedikt Kramer. «Die Methode hat sich als sehr robust herausgestellt», ergänzt Annett Latsch. Der Projektleiter bei Agridea und die Agroscope-Forscherin haben im Projekt Smart-N (siehe Kasten) die letzten drei Jahre Versuche auf Praxisbetrieben in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen betreut und ziehen Bilanz. «Wir haben viel gelernt», findet Latsch.
Bis 37 Prozent weniger Verluste
Die Resultate zeigen das Potenzial einer teilflächenspezifischen N-Düngung im Vergleich zur jeweils betriebsüblichen Variante mit homogener Düngerverteilung über die ganze Fläche. Das Ziel, die N-Überschüsse zu reduzieren, wurde in allen drei Projektjahren erreicht (um 12–37 %). Somit resultierte ein ökologischer Vorteil, ohne dass Weizenerträge oder -qualität sanken. «2022 und 2024 haben wir etwa die gleiche N-Menge ausgebracht wie im Vergleichsverfahren, 2023 hingegen deutlich weniger», so Latsch. Das heisst, im ersten und dritten Jahr war die N-Verwertung bei teilflächenspezifischer Düngung höher. 2023 wurden N-Verluste durch kleinere Düngemengen im Vergleich zur homogenen Ausbringung bei ähnlicher Stickstoffverwertung verhindert.
«Es hat uns überrascht, dass die Methode auch 2024 so gut abgeschnitten hat. Bei dem vielen Regen haben wir mit deutlich höheren Verlusten gerechnet», räumt Annett Latsch ein. Trotz des Niederschlags wurden auch im vergangenen Jahr auf den teilflächenspezifisch gedüngten Parzellen 75 % des ausgebrachten Stickstoffs von den Pflanzen aufgenommen. Es dürfe von Vorteil gewesen sein, dass zur Bemessung der zweiten und dritten teilflächenspezifischen Düngergabe bei Smart-N nicht nur Satellitenbilder, sondern in den Berechnungen der Firma Vista auch Wetterdaten und ein Wachstumsmodell des Weizens dienten. «So funktionierte die Berechnung der Ausbringkarten trotz der vielen Wolken», erklärt Benedikt Kramer. Mit dem knochentrockenen Erntesommer 2023 und der regenreichen Saison 2024 habe man eine gute Wetterspanne abgedeckt, um das Verfahren zu testen. Insgesamt waren über die ganze Projektlaufzeit sieben Betriebe mit 26 Weizenfeldern beteiligt.
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Verschiedene Vorteile
Bei Smart-N kam neben einer händischen Variante vor allem moderne Technik zum Einsatz, die neben teilflächenspezifischer Düngung weitere Vorteile bringen könne. «Dazu zählen Fahrerentlastung, besseres Randstreuen sowie exaktes Streuen in Keilen nach innen und aussen», zählt Benedikt Kramer auf. Potenziell lasse sich damit der Flächenertrag steigern (vor allem am Rand eines Feldes) oder bei unförmigen Parzellen Lager vermeiden.
Es kommen aber auch andere, technisch einfache Lösungen auf den Markt, wie das Nachrüstmodul von Tellnet. Dabei handelt es sich um eine günstige Zusatzausrüstung für Düngerstreuer, die in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) entwickelt worden ist und lediglich zwei Stellmotoren zur Regelung der ausgebrachten Menge und ein Steuerungskästchen umfasst. Der Traktor muss hier keine besonderen Voraussetzungen erfüllen.
In Deutschland gefördert
So oder so ist die teilflächenspezifische Düngung mit Applikationskarten mit Aufwand und allenfalls gewissen Mehrkosten verbunden. Der Produktionssystembeitrag «effizienter Stickstoffeinsatz» setze keinen grossen Anreiz für dieses Verfahren, schätzt Benedikt Kramer. Der Beitrag fordert, dass nicht mehr als 90 % des Stickstoffbedarfs der Kulturen gedüngt werden. Der Nachweis erfolgt via Swiss-Bilanz und es gibt dafür 100 Franken pro Hektare Gesamtackerfläche. In Deutschland hingegen werden gezieltere Anreize gesetzt: «Im Baden-Württemberg existiert für teilflächenspezifisches Düngen eine hektarenspezifische Förderung», erzählt der Projektleiter. Dazu muss mindestens 60 % des N-Düngerbedarfs teilflächenspezifisch anhand von Ertrags-, Boden-, Satelliten- oder Drohnenkarten ausgebracht werden. Die Förderung beträgt 50 Euro pro Hektare. Hofdünger sind davon ausgenommen, d. h. höchstens 40 % des N-Bedarfs darf mit Mist und Gülle gedeckt werden.[IMG 4]
«Die Applikationskarten von Vista sind quasi die Mercedes-Variante.»
Vista arbeitet mit einer Kombination verschiedener Daten und einem Wachstumsmodell, erklärt Benedikt Kramer, Agridea.
Mit Hofdünger kombiniert
Hofdünger brachten die Projektbetriebe von Smart-N zur ersten oder als zweite Gabe und nach Analysen der Stickstoffgehalte im Boden aus. Mist und Gülle lassen sich demnach erfolgreich mit einer teilflächenspezifischen Mineraldüngung kombinieren, ohne dass deren Vorteile zur Reduktion von Stickstoffüberschüssen verpuffen. «Die Betriebe haben zum Teil schon vor der Projektteilnahme nicht immer die ganze Fläche homogen gedüngt – mit Mineral- und auch mit Hofdünger», so Benedikt Kramer. Je nach Bestandsentwicklung und nach Erfahrungswerten fuhr der Landwirt schneller oder langsamer, um z. B. auf kiesigen Teilflächen bewusst weniger auszubringen. «Macht man dasselbe mit Applikationskarten bzw. einem Düngerstreuer, kann auch jemand angepasst düngen, der die Parzelle nicht schon seit Jahren kennt.»
Moderne Technik sei auf vielen Betrieben bereits vorhanden, hält der Projektleiter fest. Nur ist die Hardware in Form von Isobus, Düngerstreuer und RTK-Antenne das eine, die Software zum Einlesen der Ausbringkarten das andere. «Wir wollten bei Smart-N eine Zwei-Klick-Lösung, um die Daten auf den Traktor zu laden», sagt Benedikt Kramer. So weit entfernt von diesem Ziel sei man zwar nicht, der Markt rund um Farm-Management- und -Informationssysteme (FMIS) sei aber derzeit sehr dynamisch: Produkte werden aufgekauft und wechseln so den Anbieter. 2025, wenn Smart-N in die Verlängerung geht, sollen die Applikationskarten verschiedener Anbieter verglichen werden, erklärt Annett Latsch. Benedikt Kramer sieht in Gratisangeboten wie TerraZo aus Österreich eine gute Einstiegsmöglichkeit, um sich mit Potenzialunterschieden auf den eigenen Flächen auseinanderzusetzen. «Wir möchten am Ende von Smart-N eine allgemeine, praxistaugliche Lösung für die Umsetzung teilflächenspezifischer Düngung haben», sagt Annett Latsch. «Die Firma Vista ist mit seinem Algorithmus quasi die Mercedes-Variante einer Ausbringkarte», ist sich Kramer bewusst.[IMG 5]
«Wir müssen wissen, wo die Spitzensportler wachsen, und sie entsprechend füttern.»
Annett Latsch, Agroscope, vergleicht die teilflächenspezifische Düngung mit einer leistungsangepassten Ernährung.
Es braucht den Landwirt
In Ausnahmesituationen stossen die Berechnungen aber an ihre Grenzen. «Hier braucht es das Fachwissen des Landwirts vor Ort», betont Annett Latsch. Nach dem nassen Winter 2023/24 hätten sich einige Bestände im Frühling z. B. sehr heterogen präsentiert. Nur anhand der Potenzialkarte – basierend auf langjährigen Biomassemustern der Parzelle – wäre bei der ersten Gabe überdüngt worden. «In den schlechter entwickelten Bereichen war nicht der Stickstoff limitierend, sondern der Boden zu nass», so Latsch.
In solchen Fällen gelte es, die Empfehlungen nach bestem Wissen zu übersteuern – und nicht zuletzt dem Bodenschutz Rechnung zu tragen. «2024 war das Timing für die Düngung extrem schwierig und auf einer Parzelle musste das Güllen abgebrochen werden», erinnert sich die Forscherin.
Generell müsse man wegkommen von im Voraus bestimmten, fixen Mengen je Düngergabe und sich mehr am Bestand sowie dem Potenzial einer (Teil-)Fläche orientieren. Annett Latsch zieht einen Vergleich zur Tierhaltung: Da passt man die Kraftfuttermenge der Leistung von z. B. einer Milchkuh an. «Es gilt, auf dem Feld dasselbe zu tun. Wir müssen wissen, wo die Spitzensportler wachsen, und sie entsprechend ihrem Potenzial füttern.»
Satellitendaten und Wachstumsmodell
Mit einer teilflächenspezifischen Düngung verfolgt man das Ziel, an jeder Stelle im Feld genau die richtige Menge Stickstoff auszubringen. Im Projekt Smart-N kamen dazu satellitenbasierte Potenzialkarten der Flächen (für die erste Gabe) und die Kombination dieser langjährigen Daten mit aktuellen Satellitenbildern, Wetterdaten sowie einem Wachstumsmodell (zweite und dritte Gabe) zum Einsatz. An Stellen mit tieferem Ertragspotenzial wurde weniger gedüngt bzw. mit der zweiten und dritten Gabe entsprechend der Entwicklung des Bestandes und dessen Versorgungsstatus gezielt Stickstoff ausgebracht.
Die bei Smart-N verwendete Software stammt von der Firma Vista. Die sieben Praxisbetriebe nutzten für die Umsetzung unterschiedliche Landtechnik-Lösungen: einerseits vollautomatische Düngerstreuer mit variabler Ausbringungsrate, andererseits manuelles Regeln der Ausbringmenge per Taste am Terminal in der Traktorkabine (anhand einer Applikationskarte auf dem Smartphone). Man verglich die Vista-Empfehlungen mit jenen gemäss der Nmin-Methode der Grud (Grundlagen der Düngung) und der jeweiligen betriebsüblichen Düngermenge sowie anhand von Erträgen und der Qualität des geernteten Winterweizens.